Ein Film, den nur ein besessener Muggle lieben kann
Originaltitel: Harry Potter and the Deathly Hallows: Part I
Herstellungsland: GB/USA 2010
Regie: David Yates
Drehbuch: Steve Kloves, basierend auf dem Roman von Joanne K. Rowling
Darsteller: Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Helena Bonham Carter, Bill Nighy, Alan Rickman, Ralph Fiennes, Julie Walters, Bonnie Wright, Fiona Shaw, Tom Felton, Timothy Spall, Michael Gambon, Clémence Poésy
Angesichts des Umfangs des letzten „Harry Potter“-Buches – die in meiner Familie kursierende gebundene Ausgabe hat 768 Seiten – war von Anfang an klar, dass es nur zwei Möglichkeiten der filmischen Umsetzung gibt: die Handlung radikal auf das Wesentlichste zu kürzen und zu hoffen, alles in einem drei bis vier Stunden langen Finale unterzubringen, oder aber eine buchgetreue Adaption zu schaffen und diese in zwei Teilen in die Kinos zu bringen.
Die Produzenten der „Harry Potter“-Reihe entschieden sich für letzteres.
Aber ich frage mich, ob das wirklich die richtige Entscheidung war.
Sicher, die Hogwarts-Fans sind eine respekteinflößende Gemeinschaft und ich kann mir die wütenden Proteste gut ausmalen, die auf die Filmemacher herniedergeprasselt wären, hätten sie es denn gewagt, eine der Lieblingsszenen der Leser zu streichen - noch dazu jetzt, wo es auf die endgültige Entscheidung zugeht.
Und was die Studiobosse angeht – wer möchte nicht seine Einnahmen verdoppeln?
Doch das Problem ist und bleibt, dass „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1“ als eigenständiger Film nicht so recht funktionieren will; er existiert nur, um uns auf den im Juli 2011 in die Kinos kommenden „Teil 2“ einzustimmen. Deshalb gibt es jede Menge Exposition, viele Rückblenden, offensichtliches Füllmaterial und ein Cliffhanger-artiges Ende.
Aber ein zufriedenstellendes Kinoerlebnis?
Darauf werden Sie noch eine Weile warten müssen.
Was nicht bedeuten soll, dass der Film nicht auch seine unterhaltsamen Momente hat. Man sehe sich nur die Besetzung an: neben den Hauptdarstellern sind auch wieder viele liebgewonnene Gaststars dabei, etwa Brendan Gleeson, Imelda Staunton, Helena Bonham Carter und Timothy Spall. Dazu kommen noch „Harry Potter“-Neulinge wie Bill Nighy, Rhys Ifans und Peter Mullan.
Es ist wahrlich ein Glück, dass die Londoner Premiere nicht von den Todessern gestürmt wurde. Es gäbe in ganz Großbritannien keine Schauspieler mehr.
Es ist auch schön, dass diesmal nicht ein weiteres Schuljahr in Hogwarts abgehandelt wird, in dessen verlauf der eine oder andere Lehrer auf der Strecke bleibt. Stattdessen machen sich Vierauge, Rotschopf und Harmonika nach dem Tod von Dumbledore (Michael Gambon) auf den Weg, die magischen Schlüssel für die Vernichtung des bösen Lord Voldemort – die so genannten Horkruxe - zu finden.
Teile dieser Suche funktionieren ganz gut. Daniel Radcliffe, Rupert Grint und Emma Watson unternehmen einen Undercover-Trip in das Zaubereiministerium, der sowohl lustig als auch furchterregend ist. Und Grints Ron ‚Rotschopf’ Weasley muss gegen schmerzhafte Eifersucht ankämpfen (ausgelöst durch eine halluzinatorische Vision der – Horror! – amourösen und diskret nackten Vierauge und Harmonika).
Obwohl es schön ist, zu dieser fortlaufenden Saga zurückzukehren, und Regisseur David Yates ab und zu etwas Neues einfließen lässt (etwa die animierte Fabel der Heiligtümer des Todes), ist zu bemängeln, dass große Teile des Filmes nicht nur genau nach dem Buch, sondern nach Schema F inszeniert wurden. (Man sehnt sich nach dem Touch von Alfonso Cuarón, der für „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“, den besten Film der Serie, verantwortlich zeichnete – oder der genialen Vision von Guillermo del Toro, der in einer perfekten Welt alle 8 Streifen inszeniert hätte.)
Und wenn sich Yates anstrengt, dann merkt man, dass auch der Film bemüht wirkt. Die Szene, in der Harry und Hermine miteinander tanzen, soll lieblich und zärtlich sein, wirkt aber nur unbeholfen und gezwungen. Ein anderer Charakter stirbt einen in die Länge gezogenen Tod, aber da es sich um einen CGI-Charakter handelt (noch dazu um einen nicht sonderlich überzeugenden), wirkt die Emotion auch irgendwie künstlich.
Eingeschworene, vor Liebe blinde „Harry Potter“-Fans mag das nicht stören; in der Vorstellung, die ich besuchte, konnte ich die Muggles beim seichtesten Witz lachen und bei der offensichtlichsten Tragödie schluchzen hören.
Aber das war nur das Resultat einer geglückten cleveren Verzauberung. Die Wahrheit ist, dass dieser Film ein sehr gewöhnliches, nach dem Lehrbuch inszeniertes Werk ist, fast wie ein Einführungskurs in die Geheimnisse der Zaubertränke.
Der wirkliche Spaß und der Nervenkitzel und die Tränen kommen nächstes Jahr.
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