Sandra Bullock in einem Film, der nie hätte gedreht werden dürfen
Originaltitel: All About Steve
Herstellungsland: USA 2009
Regie: Phil Traill
Drehbuch: Kim Barker
Darsteller: Sandra Bullock, Bradley Cooper, Thomas Haden Church, Ken Jeong, Keith David, Beth Grant
Es klingt unglaublich, aber die erbarmungslos unlustige Komödie „Verrückt nach Steve“ ist wahrscheinlich Sandra Bullocks bisher schlechtester Film. Der Umstand, dass ihre Produktionsgesellschaft das Projekt mitfinanziert hat, macht diese Beleidigung (nicht nur für das Publikum, auch für sie selbst) umso schlimmer. Das bedeutet, dass im Unterschied zu Stars aus der klassischen Studioära, die mitunter von ihren Bossen vertraglich gezwungen wurden, unpassende und triviale, ja peinliche Rollen zu spielen, Frau Bullock an Leute herangetreten ist und diese bezahlt hat, um sie so schlecht aussehen zu lassen. Sie ist die Herrin ihres eigenen Unglücks. (Aber vielleicht hat sie ja nur sehr schlechte Berater…)
Wie so oft kündigt ein schlechter Haarschnitt größeres Unheil an. (Man denke nur an Elizabeth Taylor in „Cleopatra“ oder Colin Farrell in „Alexander“.) Sandra Bullock erscheint mit einer honigfarbenen zotteligen Frisur, die wohl Erinnerungen an Jane Fonda in „Klute“ wachrufen soll, aber wie eine abartige Variation des Vokuhila wirkt, auf der Leinwand, um den Zuschauer in weiterer Folge mit unausgesetztem Grinsen, Zwinkern, Zucken und anderen hektischen pantomimischen Verrenkungen zu „unterhalten“. Diese Form physischer Komödie soll die Figur der Mary Horowitz liebenswert erscheinen lassen, was aber völlig daneben geht. Sie ist möglicherweise die enervierendste Figur, die mir je in einem großen Hollywoodfilm untergekommen ist. Fünf Minuten in ihrer Gegenwart verursachen unerträgliche Kopfschmerzen und lassen einen nur noch an Flucht denken. Die anderen Charaktere im Film verstehen das. Die Macher des Films leider nicht.
Zu Beginn des Filmes lebt Mary Horowitz, die ihren Lebensunterhalt mit dem Kreieren von Kreuzworträtseln verdient, vorübergehend wieder bei ihren Eltern, weil ihr Eigenheim desinfiziert wird. Führt man sich ihre Unbeholfenheit in sozialen Dingen und ihre auf Überarbeitung zurückzuführende Verrücktheit vor Augen – ihre Logorrhoe, die allgegenwärtigen roten Stiefel und den kleinen Nager, den sie als Haustier hält und der ihr einziger Freund zu sein scheint -, dann wundert man sich, dass sie je das elterliche Nest verlassen hat.
Der Steve des Titels, ein Kameramann, der für eine Fernsehnachrichtensendung arbeitet, wird von dem angestrengt lächelnden Bradley Cooper gespielt und erscheint plötzlich während eines wenig glaubwürdigen Blind Date auf der Bildfläche. Mary verliebt sich auf den ersten Blick in ihn und greift zu Push-up BH und verzweifelten Maßnahmen. Da es sich bei ihr um einen weiblichen Charakter bestimmten Alters in einer romantischen Komödie handelt, knutscht sie nicht nur, sie fällt auch in Ohnmacht. Steves übereilten Aufbruch ignoriert sie nicht einmal, sondern nimmt sofort die Verfolgung auf und rast von Medienereignis zu Medienereignis, wobei sie in diverse peinliche Situationen gerät. Zum Glück für den Zuschauer tauchen dabei eine Reihe seltsamer Gestalten auf, die mit ihrer komischen Mimik und perfektem Timing für gelegentliche Heiterkeit sorgen und etwas Schwung in den träge dahinfließenden Film bringen: ein herzliches Dankeschön an Thomas Haden Church, Katy Mixon, D J Qualls, Ken Jeong, Jason Jones und, für einen Augenblick, Charlyne Yi.
Sandra Bullock versucht alles, um mit diesen lustigen Damen und Herren mitzuhalten, aber sie ist einfach nicht die Richtige für die Rolle der Mary Horowitz, und ihre darstellerischen Entscheidungen - das leichte Lispeln, die hektisch herumflatternden Hände, der stapfende Gang, das affektierte Laufen – sind bestenfalls als unglücklich zu bezeichnen. Man kann Verständnis dafür aufbringen, dass Frau Bullock ab und zu etwas anderes ausprobieren möchte, aber sie wurde ein großer Star, weil sie einen bestimmten Typ (liebenswert, nicht unterzukriegen) perfektioniert hat, der gut mit ihrer privaten Persönlichkeit zu harmonieren scheint. Ihre Figuren sind zu Beginn oft Underdogs und bisweilen sogar wirklich traurige Gestalten („Während du schliefst“), aber die Fähigkeit, in Schönheit zu leiden, gehört seit jeher zu den Grundvoraussetzungen für weibliche Stars. Die Zuschauer warten voll köstlicher Anspannung auf den Moment, da sich die zitternden Lippen in ein betörendes Lächeln verwandeln.
Marys Lippen jedoch gehen nur auf und zu, auf und zu, auf und zu. Da sie blitzgescheit ist, sondert sie in einem fort vielsilbige Wörter ab und erinnert dabei an einen eifrigen Schüler beim Vokabellernen oder der Vorbereitung auf eine mündliche Prüfung, wobei sie ihre verständlicherweise ermatteten, ungeduldigen und zunehmend panischen Zuhörer mit Definitionen aus Wörterbüchern und Enzyklopädien sowie fremdsprachigen Ausdrücken bombardiert. Das Drehbuch von Kim Barker („Licence ToWed“) versucht darauf zu bestehen, dass Mary keinen Dachschaden hat und nur die richtige Gruppe finden muss, um sich stolz und selbstbewusst so geben zu können, wie sie nun einmal ist. Aber das Konzept einer intelligenten Frau scheint Sandra Bullock und Phil Traill, dem Regisseur, so völlig fremd zu sein, dass die beiden die Hauptfigur krampfhaft ins Lächerliche ziehen, ganz so, als wäre weibliche Klugheit eine Behinderung. Da es sich bei „Verrückt nach Steve“ um eine große Studioproduktion handelt, dürfte an dieser Vorstellung etwas dran sein…
Fazit: Die romantische Komödie ist schon seit Jahren im Niedergang begriffen, aber „Verrückt nach Steve“ vermag nicht einmal den geringsten Ansprüchen zu genügen. Der Film ist weder romantisch, noch lustig, und man fragt sich, wie so ein Käse überhaupt gedreht werden konnte. Für so ein Machwerk kann man sich nur schämen.