Originaltitel: Paranormal Activity
Herstellungsland: USA 2007
Regie: Oren Peli
Drehbuch: Oren Peli
Darsteller: Katie Featherston, Micah Sloat, ein gepudertes Monster
Speziell im Horrorfilm-Genre gibt es eine Unzahl an Independent- und Billigproduktionen. Die meisten von ihnen verschwinden in der Versenkung, ohne von der breiten Öffentlichkeit auch nur wahrgenommen zu werden. Aber alle paar Jahre gelingt es einer dieser Billigproduktionen, großes aufsehen zu erregen, meist durch eine clevere Marketingstrategie. Das neueste dieser „Wunderwerke“ ist Paranormal Activity, von Oren Peli für nichtt mehr als15.000$ realisiert, ein Film der seine Premiere 2007 beim Screamfest Horror Film Festival in Los Angeles erlebte und nun von Paramount groß herausgebracht wurde.
Ja, ein weiterer Film über ein Haus, in dem es spukt. Und es ist nicht einmal eine Fortsetzung von Poltergeist! Aber kann Paranormal Activity dem Genre neue Aspekte abgewinnen? Und viel wichtiger, ist der Film gruselig? Mein erster Eindruck war, dass es sich dabei um eine mehr oder minder gelungene Mischung aus Blair Witch Project (offensichtlich!), dem wenig bekannten My Little Eye (Einsatz von Webcams) und natürlich Elementen aus Poltergeist handelt. Was ja nicht unbedingt etwas Schlechtes bedeuten muss… Von vielen – vor allem US-amerikanischen Kritikern wurde der film jedenfalls als einer der gruseligsten seit langem gelobt.
Die Story ist denkbar einfach gestrickt: Ein junges Paar, Katie (Katie Featherstone) und Micah (Micah Sloat), bezieht ein neues Haus. Schon bald passieren seltsame Dinge, Türen öffnen sich von alleine, Deckenlampen beginnen zu schwingen, … Die beiden vermuten eine dämonische oder sonst übernatürliche Kraft hinter diesen Ereignissen und installieren Kameras und bringen Mikrophone an, um zu ergründen, was vor sich geht, während sie schlafen. Die Aufnahmen der Überwachungskameras und ihrer Videokamera wurden in den Film integriert. Mehr vom Inhalt zu verraten, würde das Kinoerlebnis trüben.
Paranormal Activity ist vom Aufbau her nahezu identisch mit Blair Witch Project, mit dem der Film auch die stilistischen Techniken des Einsatzes von handelsüblichen Digitalkameras und der ausschließlichen Verwendung von Material, das die Darsteller selbst gedreht haben, teilt. Diese Ähnlichkeit mit dem großen Vorbild ist auch der Grund, warum der Film weitgehend funktioniert. Der aus Blair Witch bekannte Wechsel zwischen Tagesszenen, in denen die Ereignisse diskutiert werden und die Figuren sowie die Zuschauer sich von den Schrecken der Nacht erholen können, und Nachtszenen, in denen alles im wahrsten Sinne gespenstisch ruhig wird und es nur eine Frage der Zeit ist, bis etwas Seltsames passiert. Als Zuschauer wird man geradezu darauf abgerichtet, bei den Szenen, die tagsüber spielen, zu entspannen, und bei Nacht auf alles gefasst zu sein und auf das kleinste Geräusch und die geringste Bewegung zu reagieren. Ist dieser Rhythmus erst einmal etabliert, tun sich unendliche Möglichkeiten auf, andererseits hat man bald heraus, wann einen der Regisseur wieder erschrecken will, weshalb die Schockelemente bisweilen nicht mehr als eine leichte Gänsehaut verursachen, obwohl sich die Heftigkeit der Attacken von Mal zu Mal steigert. Zum glück kommen keine CGI- oder sonstigen Spezialeffekte zum Einsatz, so dass die Geschichte die ganze Zeit über glaubhaft bleibt. Aufgrund des durchgehenden Einsatzes von Digitalvideoaufnahmen, die nicht besser aussehen als die letzten Heim- oder Urlaubsvideos, die man selbst fabriziert hat, wirkt alles, was vor einem auf der Leinwand abläuft, besonders authentisch. Auch das ist schon von Blair Witch Project her bekannt.
Leider wird Paranormal Activity von einigen Fehlern geplagt. Während es für jeden Zuschauer leicht nachvollziehbar ist, dass sich Leute in einem ihnen unbekannten Wald hoffnungslos verlaufen und nicht mehr hinausfinden, muss der Regisseur hier eine Unmenge an Gründen erfinden, warum die beiden jungen Leute das Haus nicht einfach verlassen und woandershin ziehen. Im Laufe des Films bekommt man sicher mehr als 30 verschiedene Gründe präsentiert, nicht alle davon überzeugend. Ein weiterer großer Fehler ist die allerletzte Szene, die anscheinend nachgedreht wurde, um den Film sozusagen mit einem Paukenschlag zu beenden. Doch das ist zu sehr Hollywood-Kommerzdenken. In einem Film, der von der ersten Einstellung darauf abzielt, real und glaubwürdig zu erscheinen, stören solche Zugeständnisse an den Mainstream-Geschmack doch beträchtlich. Außerdem fragt sich der geneigte Zuschauer dann angesichts des Wesens doch: Davor habe ich mich die ganze Zeit gefürchtet?
Paranormal Activity setzt auf Einfachheit und Konditionierung, um sein Ziel zu erreichen, und der Ton macht da zum Glück keine Ausnahme. (Von vielen Independent-Produktionen ist man ja gewohnt, dass sie mit lauter Musik allfällige geräuschtechnische Fehler zu kaschieren trachten.) Hier gibt es keine musikalische Untermalung, nur erschreckende, laute und unangenehme Geräusche, die das Nervenkostüm der Zuschauer fast mehr strapazieren, als es die Bilder vermögen. Zumindest mich haben die Geräusche öfter unvorbereitet getroffen als die visuellen Schocks.
Die schauspielerischen Leistungen lassen nichts zu wünschen übrig, was sich nicht von jeder Billigproduktion behaupten lässt. Es gibt lediglich zwei Hauptfiguren, die zum Glück nie so hysterisch werden, wie Heather in Blair Witch Project, sondern immer liebenswert bleiben. Es fällt nicht schwer, sie als Pärchen zu akzeptieren, und sie verstehen es, ihre sich ständig steigernde Angst glaubwürdig zu vermitteln.
Fazit: Ein Film für Leute, die Blair Witch Project mochten. Paranormal Activity zählt mit Sicherheit nicht zu den gruseligsten Filmen aller Zeiten, dazu sind die Schocks zu oft vorhersehbar, aber der Aufbau und die Inszenierung sind gelungen, die Spannungsschraube wird gekonnt angezogen. Wenn man den Hype ignoriert und unvoreingenommen den Kinosaal betritt, kann man einen recht kurzweiligen und spannenden Abend erleben. Eine Wertung gibt es diesmal nicht, denn – auch hier eine Parallele zu Blair Witch Project , das ebenfalls von einigen für extrem verstörend gehalten wurde, während andere sich nur gelangweilt fühlten – es ist eine Frage der persönlichen Vorlieben, ob man sich auf einen Film einlassen möchte, der den Zuschauer mehr durch Atmosphäre in Angst und Schrecken versetzen möchte, als durch ausgefallene Spezialeffekte und eimerweise künstliches Blut. Ich jedenfalls gebe Blair Witch Project den Vorzug, wenn auch nur deshalb, weil die Angst vor dunklen Wäldern eine der Urängste des Menschen ist, ich mich aber nicht und nicht vor und in den eigenen vier Wänden fürchte (außer vor finsteren und gewalttätigen Eindringlingen – aber das ist ein anderer Film…). In den USA, wo viele Menschen häufig umziehen, mag das jedoch anders sein.
P.S.: Paranormal Activity unbedingt IM KINO ansehen! Das Gemeinschaftserlebnis und die Reaktionen der anderen Zuschauer sind es, die den Film erst so richtig gruselig machen.
Für alle Unentschlossenen hier der Trailer:
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