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2012 – Katastrophenfilm oder filmische Katastrophe?

Sonntag, 15. November 2009

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Nun ist also die „Mutter aller Katastrophenfilme“ in den Kinos dieser Welt angelaufen. Mit Produktionskosten von über 200 Millionen Dollar ist 2012 einer der teuersten Filme aller Zeiten und mit entsprechendem Aufwand wurde und wird er auch vermarktet. Sowohl um den Film als auch im Film selbst wird viel Lärm gemacht. Aber hält 2012 auch, was das Getöse verspricht?

Die Handlung ist – wie bei Roland Emmerich üblich – auf ein Minimum reduziert: Wissenschafter sagen voraus, dass im Jahre 2012 extreme Unwetter, Erdbeben und in der folge Tsunamis über die Welt hereinbrechen werden. Das Ganze hat mit einer äußerst seltenen Planetenkonstellation zu tun, auch Voraussagen der Maya das Ende der Welt betreffend spielen eine Rolle (nebenbei bemerkt, ein Fehler, denn in den Aufzeichnungen der Maya ist nur von „Zeitenwende“ die Rede, nicht vom ende der Zeiten. Vielleicht meinten sie nicht mehr als den Beginn eines neuen Kalenders). Es wird an einem geheimen multinationalen Projekt gearbeitet, um die Reichen und Mächtigen vor der Katastrophe in Sicherheit zu bringen. Der ziemlich erfolglose Science-Fiction-Autor Jackson Curtis (John Cusack) erfährt zufällig von diesen Entwicklungen und unternimmt in der Folge alles, um seine Familie zu retten.copyrightjps

Zwischen den beiden Weltkriegen war Cecil B. De Mille der Meister des Größenwahns, der Zerstörungen epischen Ausmaßes mit wenig Handlung und  religiösem und/oder patriotischem Einschlag auf die Leinwand brachte (man denke nur an „Die zehn Gebote“). In den 1970-er Jahren trat dann Irwin Allen in seine riesigen Fußstapfen und ließ Schiffe untergehen, Vulkane ausbrechen, Feuerbrünste wüten und Killerbienen schwärmen. Heutzutage ist es Roland Emmerich, der auszog, ein zweiter Steven Spielberg zu werden, der als Meister 2012_04 der filmischen Riesenkatastrophen mit enormem finanziellem und technischem Aufwand (hunderte Computerprogrammierer müssen wie Sklaven geschuftet haben, um die Unzahl an Effekten so photorealistisch hinzubekommen) die Kinobesucher mit einfach gestrickten Spektakeln erfreut. Wissenschaftliche Genauigkeit wird von ihm dabei bedenkenlos dem dramaturgischen Effekt geopfert – plötzliche Kontinentalverschiebungen und ähnliche schwere Veränderungen wirken sich mit Sicherheit – anders als in diesem Film - negativ auf den Handyempfang aus. Dasselbe Phänomen war ja auch schon in Independence Day zu beobachten, wo riesige Raumschiffe über den Städten schwebten, aber Jeff Goldblum trotzdem Handyphonieren konnte. (Man merkt, Herr Emmerich liebt sein Handy.)

De Mille war ein Spezialist für historische und religiöse Epen, Irwin Allen perfektionierte den Katastrophenfilm, da aber das Publikum immer mehr und immer größeres sehen will, muss Roland Emmerich nun zu Science-Fiction-Themen Zuflucht nehmen, um einen halbwegs glaubwürdigen Vorwand für Zerstörungen epochalen Ausmaßes bieten zu können. Godzilla, in dem eine Riesenechse New York verwüstet, ist einer seiner bescheideneren Filme. Diesmal setzt er alles daran, die Menschenvernichtung durch Aliens aus Independence Day und die Überschwemmung New Yorks infolge des Klimawandels aus The Day After Tomorrow in den Schatten zu stellen.

Um alles, was bisher an Katastrophenfilmen zu sehen war, zu übertrumpfen, musste für 2012 ein Konzept gefunden werden, dass Zerstörungen aller Art zulässt. Deshalb wird der Weltuntergang nicht bloß durch ein einzelnes Ereignis  2012_ni herbeigeführt, sondern es bricht eine Vielzahl von Unerfreulichkeiten über die Menschheit herein: Explosionen auf der Sonne, Planeten, die sich in einer Linie aufreihen, Erdbeben, Riesenwellen, das Ganze mit biblischen Untertönen (Nebenbei bemerkt: Apokalypse heißt Offenbarung und ist die Schrift über den Weltuntergang, nicht der Weltuntergang selbst, wie im Film behauptet wird).

Letztendlich reduziert sich 2012 darauf, alle Katastrophen aus allen bisherigen Katastrophenfilmen in einem einzigen langen Film zu vereinen. Fast wäre man versucht, für dieses Werk den Titel „Best of Disaster Movies“ vorzuschlagen.   Dutzende Wolkenkratzer stürzen ein, Luxuskreuzer und Flugzeugträger versinken in gigantischen Meeresstrudeln, ganze Städte werden von Erdbeben platt gemacht oder von Riesenwellen überschwemmt, Vulkankrater tun sich plötzlich im Boden auf, ein Tsunami rast über Himalaja-Gipfel hinweg,…

Das Drehbuch, geschrieben von Roland Emmerich und Harald Kloser (seit wann können Filmkomponisten Drehbücher schreiben?), wimmelt nur so vor Klischees: 2012_.m John Cusack gibt den amerikanischen Durchschnittsvater, Amanda Peet ist unterfordert als dessen Ex-Frau, Chiwetel Ejiofor ist der integere Wissenschafter, Danny Glover stellt den menschenfreundlichen US-Präsidenten dar, Woody Harrelson ist mehr oder weniger er selbst als Radiomoderator und Verschwörungstheoretiker, … Dazu gibt es klebrig-süße Sentimentalität, immer wieder eingestreuten und überraschend treffenden Wortwitz, heroische Selbstaufopferung, Heldenmut von der Sorte „Meine Kinder müssen überleben“, und rücksichtsloses Intrigieren von schmierigen Charakteren, die unbedingt noch einen Platz auf der rettenden Arche ergattern möchten. Und selbstverständlich gibt es auch den herzigen Hund, dessen Rettung momentan wichtiger erscheint als das Schicksal der gesamten Bevölkerung Indiens.

Immer und immer wieder entkommen unsere Helden im letzten Moment mit Autos und Flugzeugen dem sicher scheinenden Tod, während ganze Städte in Flammen stehen oder ins Meer rutschen. Und das Grande Finale beschert uns eine riesige Arche, und das Schicksal der gesamten verbliebenen Menschheit hängt davon ab, dass John Cusack lange genug unter Wasser die Luft anhalten kann, um die verklemmten Tore zu öffnen.

Im Grunde genommen ein schlechter Film wie alle Katastrophenfilme (zu lange Exposition, um die Figuren und ihre Fähigkeiten vorzustellen, dann hirnloses Gerenne, Herumfahren, etc. um dem Desaster zu entkommen, also schlicht keine echte Dramaturgie), aber recht unterhaltsam, sofern man nicht nachdenkt. Leider ist 2012 zu lange geraten, denn irgendwann wird das Herumgehetze durch die unterschiedlichsten Katastrophen etwas eintönig. Und eine Frage sei noch gestattet: Warum ist Afrika von dem Weltuntergang nicht betroffen? Und warum bekommt das niemand mit? Hat niemand Verwandte in Afrika oder sonst eine Verbindung dorthin? Die Telefone funktionieren ja…

 

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