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The Doors - When You´re Strange

Samstag, 3. Juli 2010

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Verklärter Blick auf die Band rund um den berühmt-berüchtigten Jim Morrison

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Originaltitel: When You´re Strange
Herstellungsland: USA 2010
Regie: Tom DiCillo
Drehbuch: Tom DiCillo
Darsteller: Jim Morrison, Ray Manzarek, Robbie Krieger, John Densmore (als sie selbst), Johnny Depp (Sprecher)

„Er ist heiß, er ist sexy und er ist tot“, tönte die Schlagzeile im Jahre 1981 im Rolling Stone Magazine veröffentlichten Artikels über Jim Morrison, den Texter und Leadsänger der Doors, der 10 Jahre zuvor in Paris in einer Badewanne an Herzversagen gestorben war. Er war 27 Jahre alt. Es wurde keine Autopsie vorgenommen. Dieselbe unangenehme Art von Marktschreierei ist auch in „The Doors - When You´re Strange“, Tom DiCillos verwirrender, prätentiöser Montage von Filmclips, die die Band in den Jahren 1966 bis 1971 zeigen, an allen Ecken und Enden zu bemerken. Als Erzähler wurde Johnny Depp engagiert, der mit seiner feierlich-ernsten Vortragsweise die ganze Sache eher noch verschlimmert.

Ein Großteil der Archivaufnahmen zeigt Morrison beim Posieren, Herumstolzieren, schreien und Durchdrehen auf der Bühne. Der Lizard King, wie er auch genannt wurde, war ein charismatisches männliches Pin-up; er stolzierte gerne in hautengen Lederhosen herum und gebärdete sich als eine Art Dionysos, der sich zu der Schlangenbeschwörermusik seiner Mitstreiter lasziv wand. Er wirkte auch oft ein wenig lächerlich, wenn er schmollend und mit gesenkten Augen wie eine schwülstige männliche Marilyn Monroe selbstverliebt in Richtung seiner eigenen imaginierten Reflexion starrte.

Als es mit Morrison bergab ging, behauptet der Film, interessierte sich das Publikum mindestens so sehr für das Schauspiel eines Verrückten auf der Bühne wie für die Musik der Doors. Tom DiCillos Drehbuch ist ein oberflächlicher Mischmasch aus biographischen Details aus dem Leben der vier Bandmitglieder und klischeebeladenen Bildern der 1960-er Jahre, die schon hunderte Malle aufgewärmt wurden. (Schon wieder die Ermordung von John F. Kennedy?) Der Film beginnt und endet mit unheimlichen Ausschnitten aus „HWY“, einem amateurhaften Streifen aus dem Jahre 1969, in dem Jim Morrison zu sehen ist, wie er mit dem Auto durch die Wüste fährt und im Radio die Nachricht von seinem Tod hört. (Die Radionachrichten wurden für „The Doors – When You´re Strange“ hinzugefügt).

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Danach wird erzählt, wie die vier Musiker – Sänger und Texter Jim Morrison, Keyboardspieler Ray Manzarek, Gitarrist Robbie Krieger und Schlagzeuger John Densmore – zu „The Doors“ wurden. „The Doors – When You´re Strange“ kommt jedoch bald vom eingeschlagenen Pfad ab und springt in der Zeit herum, weshalb jeder, der die Geschichte der Band nicht in- und auswendig kennt, bald den Überblick verliert und nicht mehr weiß, was wann und wo passiert ist und wie die Ereignisse zusammenhängen. Wenn man dem Film folgt, meint man, Martin Luther King wäre 1969 ermordet worden und der Vietnamkrieg hätte drei Jahre eher geendet. Morrison ist der magnetische Kern dieser Dokumentation, der alles – die Geschichte, die anderen Bandmitglieder, die kreischenden Mädchen – zu sich zieht und verzerrt.

Wir erfahren, dass Jim Morrison an seinen gesanglichen Fähigkeiten zweifelte und gerne wie Elvis Presley, der sein erstes Idol war, geklungen hätte; später wurde Frank Sinatra sein großes Vorbild. Es gibt Aufnahmen von dem berühmt-berüchtigten Konzert in Miami zu sehen, bei dem Morrison unter dem Vorwand, er hätte sich auf unsittliche Weise entblößt, verhaftet wurde. Allerdings ist bis auf den heutigen Tag keinen photographischen Beweis aufgetaucht, der belegen würde, dass er tatsächlich sein bestes Stück aus der Hose hängen ließ. Der Aufruhr, den er bei diesem Konzert auslöste, wäre heutzutage undenkbar.

Daneben gibt es weitere interessante und provokante Aufnahmen: die legendäre Show im Whiskey; Konzerte, bei denen Jim Morrison umringt von Polizisten singt, ganz so, als wäre er ein gefährliches Virus, das um jeden Preis kontrolliert werden müsse; Momente im Aufnahmestudio, in denen Inspiration in Zorn und Verbitterung umschlägt.

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In „The Doors - When You´re Strange“ besteht eine schockierende Diskrepanz zwischen dem, was uns Tom DiCillo durch Johnny Depps ehrerbietige Voice-overs erzählt „Morrison ist sowohl unschuldig als auch gottlos – er ist ein Rock´n´Roll-Dichter, gefährlich und intelligent“), und dem, was wir sehen: einen betäubten jungen Mann, der kaum einen ganzen Satz formulieren kann. Seine Gedichte werden im Film als „sinnbildlich und rein“ gelobt, doch wenn man sie liest, wirken sie kindisch.

Die auf übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsum zurückzuführenden Tode von Jim Morrison, Janis Joplin und Jimi Hendrix in den Jahren 1970 und ´71 passierten zu einer Zeit, da die Auswirkungen des zum Extrem gesteigerten Rock´n´Roll-Lebensstils noch weitgehend unbekannt waren. Als Pioniere des Dranges der Jugendkultur, alle Grenzen auszutesten, wurden alle drei zu Opfern der fälschlichen, aber weit verbreiteten Annahme, dass wahlloser Drogenkonsum der schnellste Weg zur Erleuchtung sei. Im Vergleich zur heutigen Zeit war das medizinische Wissen in Bezug auf Suchtgefahr und die Toleranz des Körpers für Drogen äußerst begrenzt; das Konzept des Entzugs war zumindest der westlichen Kultur noch völlig fremd.

Jim Morrison folgte einem Pfad, der mittlerweile fast schon ein Klischee ist; er fing mit psychedelischen Drogen an und endete als ausgebrannter Säufer. Doch das er ebenso ein trauriges Opfer seines eigenen Mythos war wie etwa Kurt Cobain, scheint den Machern des Filmes völlig entgangen zu sein.

Man kann die Faszination durchaus nachvollziehen. Lieder wie „Light My Fire“, „The End“ oder „Riders On The Storm“ sind düstere Meisterwerke der Popmusik, in Klänge gefasste Momentaufnahmen der dämonischen Aspekte der amerikanischen Gesellschaft. Ja, sie begründeten eine Legende, aber der Mann hinter der Legende wartet auch fast vierzig Jahre nach seinem Tod noch darauf, entdeckt und verstanden zu werden. Jim Morrison wollte die Welt und er wollte sie gleich, und er bekam sie. Was „The Doors – When You´re Strange“ nicht zugeben kann oder will, ist, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, was er dann tun sollte.

Fazit: Eine Dokumentation von Fans für Fans, die wenig neue Einsichten bietet.

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