Originaltitel: Across the Hall
Herstellungsland: USA 2009
Regie: Alex Merkin
Drehbuch: Jesse Mittelstadt, Julien Schwab
Darsteller: Mike Vogel, Brittany Murphy, Danny Pino, Brad Greenquist
„Across the Hall“ wartet mit so vielen Wendungen auf, dass einem davon schwindlig werden kann, aber die Atmosphäre stimmt und – zumindest phasenweise – kommt echte Spannung auf. Zu Beginn des Films sehen wir, wie sich der Portier (Brad Greenquist) mit größter Sorgfalt auf seine Nachtschicht am Empfang des Hotels „Riverview“ vorbereitet, einer zweitklassigen Absteige, die gerne von gescheiterten Existenzen und zwielichtigen Figuren frequentiert wird. Ein wenig verstaubt, mehr als nur ein wenig heruntergekommen, ist das „Riverview“ ein Haus, das – so wie sein treuester Angestellter – darum kämpft, am Leben zu bleiben. Und der Tod hat gerade eingecheckt.
Die Hauptfiguren der Geschichte, die sich immer mehr zu einem Dreiertanz in die Katastrophe entwickelt, werden aus äußerst unterschiedlichen und, wie sich zeigt, verstörenden Perspektiven gezeigt. June (Brittany Murphy), die das nüchterne Gebaren des Hotelpagen extrem amüsant findet, ist unterwegs zu einem Rendezvous, von dem sie sich Ablenkung und Spaß erhofft. Julian (Mike Vogel) sitzt in der Badewanne, presst Eis auf sein geschwollenes Knie und nippt an seinem Whiskey. Er wird von seinem Freund Terry (Danny Pino) angerufen, der kurz davor steht, Selbstmord zu verüben oder aber einen Mord; auf jeden Fall ist er drauf und dran, irgendjemandem eine böse Überraschung zu bereiten. Was genau die drei verbindet, wie und warum sie aufeinander treffen und wo sie sich aufhalten, das sind Fragen, die im Laufe des Filmes beantwortet werden – allerdings in eher gemächlichem Tempo.
Die Herausforderung bei dem Unterfangen, aus einem guten und soliden Kurzfilm einen hervorragenden Spielfilm zu machen, liegt darin, Handlung und Charaktere ausführlicher zu präsentieren und mehr in die Tiefe zu gehen, ohne das Werk mit Nebensächlichkeiten voll zu stopfen. Das ist den Drehbuchautoren Mittelstadt und Schwab leider nur ansatzweise gelungen, denn das Erzähltempo ist mitunter doch recht gemächlich und kann nicht mit der von Regisseur Merkin geschaffenen düsteren und konfliktgeladenen Atmosphäre mithalten: Junes Fröhlichkeit, Julians besessene Energie und Terrys aufgestauter Zorn bilden einen interessanten und einnehmenden Kontrast zu den komisch/tragischen Resten ehemaliger Größe und Wichtigkeit, die man überall im Hotel ausmachen kann. Überhaupt ist das „Riverview“ so etwas wie der stille Held des Films, was einerseits gut ist, andererseits aber auch auf gewisse dramaturgische Schwächen schließen lässt. Man wird gleich in die Handlung hineingezogen, die Ausgangssituation ist verwirrend und spannungsgeladen, doch leider kann dieses hohe Niveau nicht gehalten werden, da sich die Geschichte und die Charaktere dann kaum mehr entwickeln. „Across the Hall“ bewegt sich im Zeitlupentempo und passt sich somit dem schleichenden Verfall des Schauplatzes an.
Es stellt sich die Frage, ob „Across the Hall“ ein besserer Film geworden wäre, wenn Alex Menkin und die Autoren die Geschichte linear erzählt hätten. Wahrscheinlich nicht, aber in dem Fall wäre zumindest die Enttäuschung nicht so groß gewesen. Denn schlussendlich ist dieser Thriller nicht mehr als eine recht einfach gestrickte Geschichte von Freundschaft und Verrat. Aber anstatt diese Geschichte ohne große Schnörkel zu erzählen, wird sie in lauter winzige Teile zerschnitten und das durcheinander gewürfelte Resultat als Lehrstück in Sachen Spannung präsentiert. Der Film ist auch tatsächlich über weite Strecken spannend, wenn auch nur deshalb, weil dem Zuschauer ein klein wenig an Information vorenthalten wird. In dem Moment, da dieses Puzzlestückchen an seinem Platz ist, erklärt sich alles wie von selbst. Es gibt keine doppelten Böden, keine Zweideutigkeiten, nichts worüber es lohnen würde nachzudenken, während die letzten Minuten des Filmes nach sehr vorhersehbarem Muster ablaufen.
Die darstellerischen Leistungen sind nicht überwältigend, aber durchwegs in Ordnung; man ist fast versucht zu sagen, die Schauspieler haben sich dem Niveau des Materials angepasst. Mike Vogel und Danny Pino harmonieren recht gut als beste Freunde. Sie scheinen einander ähnlich genug, dass man als Zuschauer das Gefühl hat, dass sie einander gut leiden können, aber sie sind doch unterschiedlich genug, um auch den zwischen ihnen aufbrechenden Konflikt glaubhaft zu machen. Leider stimmt die Chemie zwischen den beiden und Brittany Murphy so ganz und gar nicht. Trotzdem, und obwohl ihre Rolle die am wenigsten ausgearbeitete scheint, ist ihre Darbietung die unterhaltsamste des Films. Sie ist geziert und posiert ständig, aber das passt perfekt zu ihrer Funktion als quasi Mittelpunkt des Film-Noir-artigen Liebesdreiecks. Es ist kein sonderlich anspruchsvoller Part, aber sie spielt ihn mit großer Freude.
Während man als Zuschauer darauf wartet, dass “Across the Hall” endlich die Extraportion
Spannung liefert, die sich nicht und nicht einstellen will, ist es das gelungene Sound Design, das immer wieder für steigenden Puls und Nervenkitzel sorgt: Von den seltsamen Echos, die durch die Gänge des „Riverview“ hallen, bis hin zu dem Knirschen, das das Zertreten einer Küchenschabe verursacht, ist die Tonspur des Films ein Paradebeispiel für das gekonnte Spiel mit und den gezielten Einsatz von Effekten.
Fazit: “Across the Hall” hat einige gute Momente. Aber solide darstellerische Leistungen und eine interessante Prämisse sind zu wenig, um diesen attraktiv photographierten Film über die Zeit zu retten. Die Handlung entwickelt sich zu langsam, die gewollten Sprünge zwischen den Figuren verwirren mehr, als sie Spannung erzeugen, und irgendwie fühlt man sich am Ende ein wenig betrogen. Manchmal ist ein linearer Storyverlauf ohne überraschende Schlusswendung nicht das Schlimmste, was einem passieren kann…
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