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Up In The Air – George Clooney in Hochform

Freitag, 5. Februar 2010

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Originaltitel: Up in the Air
Herstellungsland: USA 2009
Regie: Jason Reitman
Drehbuch: Jason Reitman, Sheldon Turner
Darsteller: George Clooney, Vera Farmiga, Jason Bateman, Anna Kendrick, Melanie Lynskey, Danny McBride, J.K. Simmons

-”Never get behind old people. Their bodies are littered with hidden metal and they never seem to appreciate how little time they have left. Bingo, Asians. They pack light, travel efficiently, and they have a thing for slip on shoes. Gotta love ‘em.”
-”That’s racist.”
-”I’m like my mother, I stereotype. It’s faster.”

George Clooney spielt vielleicht die Rolle seines Lebens in dieser einzigartigen und bisweilen brillanten Mischung aus Drama, romantischer Komödie und Wirtschaftssatire.

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Jeden Morgen steht Ryan Bingham (Clooney entwaffnend charmant und unsicher wie nie zuvor) auf, nimmt eine Dusche und zieht sich an, verlässt sein anonymes Hotelzimmer und begibt sich in irgendein Bürogebäude, wo er das tut, wofür er gut bezahlt wird: Mitarbeiter entlassen.

Den Job erledigt er routiniert und unter Verwendung von weithin bekannten und gefürchteten Floskeln. Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen. „Gesundschrumpfen“. Sehen Sie es als Gelegenheit. Würden Sie bitte Ihre Zugangskarte hier lassen. Bitte sehen Sie sich diese Informationsbroschüre an. Danke für Ihre Zeit.

Und dann, nachdem er all diese armen Menschen im Auftrag ihrer Vorgesetzten, die zu feige sind, dies selbst zu tun, gefeuert hat, kehrt er in sein Hotelzimmer zurück, packt seine Siebensachen und fliegt in die nächste Stadt.

Wie kann dieser Mann des Nachts nur schlafen?copyrightjps2010_2

Selten allein, so viel wird schnell klar. Und ohne groß darüber nachzudenken, was er tut oder wird diese anderen Menschen waren.

Bis ihn schließlich einige Ereignisse zwingen, diesen seinen raubtierartigen Lebenswandel zu überdenken. Seine jüngere Schwester (von Melanie Lynskey mit herzergreifender Unschuld gespielt) steht kurz vor der Eheschließung – ein Umstand, der ihm schmerzlich vor Augen führt, wie sehr er sich von seiner Familie entfremdet hat.

Er trifft eine faszinierende Frau, die gleich ihm von Flughafen zu Flughafen und von Hotel zu Hotel hetzt. Alex (Vera Farminga) ist genauso raffiniert, materialistisch und erpicht darauf, das „ganze Verantwortungsding“ zu vermeiden, wie er.

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Sie treffen einander zu unverbindlichem Sex, wann immer es ihre Terminpläne zulassen. Ryan kann sich sogar vorstellen, diese Nicht-Beziehung in etwas Dauerhafteres zu verwandeln.

Und Ryans Arbeitgeber Craig Gregory (Jason Bateman) – ein Kotzbrocken, der die Wirtschaftskrise mit einem erfreuten „Das ist unser großer Moment“ begrüßt – scheint die Absicht zu haben, sein unternehmen zu verkleinern.

Unser Held nimmt sich der aufdringlichen College-Absolventin Natalie (Anna Kendrick) an, die der Meinung ist, Ryans Job effizienter erledigen zu können, indem sie die Leute via Internet feuert.

Hier tut sich ein riesiges Loch im Plot auf. Mr. Gregorys Unternehmen wird von Arbeitgebern beauftragt, die es nicht übers Herz bringen, ihre Arbeitnehmer von Angesicht zu Angesicht zu kündigen, was durchaus verständlich erscheint. Doch warum sollten sie ihn dafür bezahlen, die armen Mitarbeiter übers Internet zu feuern, wenn sie dies genauso gut selbst tun könnten?

Als Zuschauer muss man sich fragen, warum Ryan, der alles so genau kalkuliert, nicht auf diesen Umstand hinweist. Aber schließlich ist das nur ein Film.

Jedenfalls führt diese Entwicklung der Handlung dazu, dass Natalie Ryan auf seiner letzten Tour begleitet - quasi als auszubildender „Engel des Todes“.

Entgegen beider Erwartungen wird sie durch diese Erfahrung ein wenig menschlicher, während er zumindest ansatzweise seinen lange unterdrückten Vaterinstinkt wiederentdeckt.

All das ist lustig, gut beobachtet und hervorragend gespielt. Anna Kendrick übertrifft sich selbst als eiskalte Prinzessin, die sich langsam für ihre Mitmenschen erwärmt.

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Clooney war nie subtiler als in diesem Film, in dem seine Figur einen Wandel vom absoluten Anti-Helden zum Beinahe-Geläuterten vollzieht.

Wenn man Vera Farminga und George Clooney zusammen sieht, wird einem erst bewusst, wie viel Zeit der liebe George in seinen Filmen ohne adäquate Partnerin an seiner Seite verbringt. Es sagt einiges über den Mangel an starken weiblichen Stars im amerikanischen Film aus, dass er seit Jennifer Lopez in „Out Of Sight“ nicht mehr so gut mit einer Frau harmoniert hat. Leider greift Regisseur Jason Reitman ein wenig zu tief in den Schmalztopf. Wenn man Vera Farminga und George Clooney gemeinsam vor der Kamera hat, dann braucht man dazu keine „emotionale“ Schnulzenmelodie auf der Tonspur.

Clooney wird ältere Kinogeher mit Sicherheit an Cary Grant in Hochform erinnern, während Farminga starke Ähnlichkeit mit Barbara Stanwyk in ihren hintergründigsten Rollen hat. Gemeinsam sind sie großartig.

Seltsamerweise erfährt man nie, was Farmingas Alex eigentlich beruflich macht. Und es ist unfair, geradezu ein Anfall von Machismo in dem ansonsten so feinfühligen Film, dass nur sie sich in der Liebesszene entblättern muss.

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Regisseur und Co-Autor Jason Reitman, 32, hat ein feines Gespür für unternehmerischen Zynismus, was er schon in „Thank You For Smoking“ unter Beweis gestellt hat, und ein geschultes Auge für die seelenlose Architektur von Flughäfen und modernen Hotels.

Wohl um den Spaßfaktor zu erhöhen, ist Kendricks kindliche Taktlosigkeit gegenüber Älteren von derselben Schärfe, die schon in Reitmans letztem Film „Juno“ evident war.

Das Drehbuch vermeidet gekonnt eine allzu einfache Handlungskurve. Gerade wenn man glaubt, dass „Up In The Air“ einem für romantische Komödien typischen behaglichen Happy End entgegensteuert, versetzt eine unerwartete Turbulenz dem Publikum einen gut getimten Schock.

Der Trailer deutet auf eine romantische Komödie hin, in der Clooney sich zwischen zwei Frauen entscheiden muss; doch tatsächlich handelt es sich um eine bitterböse Moralgeschichte, die stark an die toughen und düsteren Hollywood-Komödien gemahnt, wie sie einst von Preston Sturgess oder auch Billy Wilder gedreht wurden.

Clooneys Ryan wird zu einer Symbolfigur – zu einem Gordon Gekko („Wall Street“, gespielt von Michael Douglas) für das 21. Jahrhundert, wenn man so will -, wenn er verspätet und schmerzhaft erkennen muss, was er alles versäumt hat. Besonders angenehm überrascht, dass die Frauen als interessante, abgerundete Charaktere präsentiert werden und nicht als Anhängsel, die um ein Alpha-Männchen kreisen.

Jason Reitmans Film, geschrieben in Kollaboration mit Sheldon Turner, basiert auf einem 2001 - also vor der Rezession - veröffentlichten Roman von Walter Kim, könnte aber kaum zeitgemäßer sein.

Trotz seiner relativen Jugend versteht Reitman das Leid von Arbeitslosen und nutzt gekonnt Aussagen von Entlassenen - die Reaktionen reichen Verzweiflung bis Wut, von Resignation bis Panik -, um der Problematik noch mehr Dramatik zu verleihen.

Im Grunde hat „Up In The Air“ eine sehr einfache Aussage, nämlich die, dass Karriere nicht alles ist, dass es viel Wichtigeres im Leben gibt. Aber nur weil eine Botschaft einfach ist, bedeutet es noch lange nicht, dass sie nicht wahr ist oder nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte. Wenige Filme haben so überzeugend für den Wert der Familie plädiert.

Hollywood hat in letzter Zeit wenige intelligente, an ein erwachseneres Publikum gerichtete Filme produziert, weshalb „Up In The Air“ gute Chancen bei der Oscarverleihung haben dürfte. (Obwohl da wahrscheinlich das Getöse von „Avatar“ alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird.)

Dieser Film ist viel mehr als die oberflächliche Komödie, die sich vielleicht so mancher erwartet. Er fängt beunruhigende Strömungen unserer Zeit ein.

Fazit: Großartige Schauspieler in einem intelligenten, leisen Film, der gekonnt und mit Humor die Nichtigkeit des Karrierestrebens in unserer Zeit entlarvt.

 

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