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Winter´s Bone (Review)

Samstag, 2. April 2011

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Debra Graniks düsterer kleiner Film ist ebenso hart, unerschrocken und faszinierend wie die Charaktere, die sich in diesen kalten, grauen Hügeln durchs Leben kämpfen

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Originaltitel: Winter´s Bone
Herstellungsland: USA 2010
Regie: Debra Granik
Drehbuch: Debra Granik, Anne Rosellini, basierend auf dem Roman von Daniel Woodrell
Darsteller: Jennifer Lawrence, Isaiah Stone, Ashlee Thompson, Valerie Richards, Shelley Waggener, Garret Dillahunt, John Hawkes, Dale Dickey, Sheryl Lee

Es ist eine Welt voller zerbrochener Dinge.

In den Vorgärten wimmelt es von rostigen alten Autos auf Blöcken und dreibeinigen Hunden. Die Veranden neigen sich unter der Last ausgedienter Kühlschränke und moosbedeckter Sofas. Schlafzimmer sind Irrgärten voller zersprungener Puppen und zerrissener Kleider.

Aber nichts ist kaputter als die Menschen, die nur noch von Drogen, Missgunst und Erinnerungen am Leben erhalten werden.

Das war die Welt von Debra Graniks erstem Spielfilm „Down to the Bone“, jenem Junkie-Drama, das Vera Farminga ihre erste große Rolle bescherte. Und in diese Welt kehrt die Regisseurin mit „Winter´s Bone“ zurück.

Die beiden Filme haben nicht nur den Knochen im Titel gemein, sondern auch dies starken weiblichen Hauptfiguren, die alles versuchen, ihre alles andere als glücklichen Familien über die Runden zu bringen. Doch der erste Streifen spielte im nördlichen Teil des Bundesstaates New York; dieser hat die Hügel und Täler des südlichen Missouri zum Schauplatz.

winters-bone-movie-review-jennifer-lawrence Und in diesem Film steht nicht eine abgebrühte Frau mit einem Drogenproblem im Mittelpunkt, sondern ein stures Mädchen im Teenageralter.

Ihr Vater, der Crystal Meth herstellt, verpfändete die winzige Hütte der Familie, um Kaution stellen zu können. Nun ist er verschwunden und Ree - und ihre beiden jüngeren Geschwister - sind kurz davor, alles zu verlieren. Unsere junge Heldin muss ihren Daddy finden, selbst wenn es bedeutete, dafür durch die Feuer der Hölle zu marschieren.

Und in diesem Teil des Ozark-Plateaus, bedeutet es das beinahe.

Die Haupthandlung – ein beherztes Mädchen versucht, ihr einfaches Heim zu retten – hätte einem D.W. Griffiths gefallen, doch Granik steht, genau wie den Charakteren, der Sinn nicht nach Sentimentalitäten. Diese Männer sind hart. Diese Frauen sind noch härter. (Sie müssen es sein, um diese Männer zu überleben.)

Doch finden sich selbst hier einige Lichtblicke – etwa den Nachbarn, der ungefragt etwas Hirschfleisch herüberbringt, um bei der Verpflegung von Ree Dollys langsam verhungerten Verwandten (neben den Geschwistern gibt es noch die Mutter, die emotional und geistig völlig leer ist) zu helfen. Oder den Volksmusikabend, der ein Haus mit traditioneller Musik erfüllt. Oder den Anwerber der Armee, der der verzweifelten Teenagerin einen kleinen Gefallen erweist.

Denn am Ende des Tages sind dies Menschen, die sich um einander kümmern. Weil es sonst niemand tut.

Es gibt einen offensichtlichen „künstlerischen“ Moment im Film - einen in verkrampftem Schwarzweiß gedrehten Traum voller herumhüpfender Eichhörnchen -, doch ansonsten sorgt Granik zumeist dafür, dass sich Film und Kamera so unermüdlich und forsch voranbewegen wie die Heldin. Selbst wenn die Frames mit Details vollgestopft sind, verweilt die Kamera nicht.

winters-bone-11b Doch auch die Darsteller vergeuden keinen Moment. Als Ree ist Jennifer Lawrence eine freimütige Heldin, die die Zähne zusammenbeißt und jedem vormachen kann, wie man Holz hackt oder ein Eichhörnchen häutet, aber keine Ahnung hat, was Selbstmitleid bedeutet. Man könnte diese Heranwachsende ins Jahr 1720 zurückversetzen und sie würde sich vermutlich problemlos zurechtfinden.

Und die anderen Schauspieler, allen voran John Hawkes als ihr ekliger Onkel Teardrop, ein gefährlich unberechenbarer, von Drogen gezeichneter Mann, der wissen und nicht wissen will, was mit seinem Bruder passiert ist, stehen ihr kaum nach. Die Nebenrollen sind mit interessanten Darstellern besetzt, die die äußerst unabhängige Charaktere verkörpern, die es zuwege bringen, abwechselnd bewundernswert und abstoßend zu sein (manchmal auch beides zugleich).

Oberflächlich betrachtet, ist „Winter´s Bone“ – der Film lief beim Sundance Festival - fast ein Park City-Filmklischee: ländlicher Schauplatz, eine Heldin, Charaktere aus der Unterschicht, Zyklen von Missbrauch und Überleben. Dennoch macht Granik daraus etwas sehr Reales. Und sogar etwas Hoffnungsvolles.

Denn, ja, dies ist ein unerbittliches und steiniges Land. Aber das Leben, das dort Wurzeln schlägt, schafft es zumeist, über die Runden zu kommen.

Fazit: „Winter´s Bone“ ist ein unerbittlicher, kalter Film, der es dennoch schafft, so etwas wie Hoffnung zu vermitteln. Über kleine schwächen trösten die interessanten Charaktere und die durchwegs guten darstellerischen Leistungen hinweg.

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