Der Film ist nur ein weiterer Baustein einer schlauen Strategie, mit der Aniston als ambitionierter, aber bemitleidenswerter Superstar vermarktet werden soll
Jennifer Aniston ist ein Rätsel. Auf der einen Seite wird sie von den Anmaßenden bemitleidet, von den Gossip-Blogs verspottet und von den Kritikern verachtet. Auf der anderen Seite kämpfen Hochglanzmagazine darum, sie aufs Cover zu bekommen, die Leute reden in einem fort über sie und sie wird mit Freuden für einen Film nach dem anderen gebucht.
Selbstverständlich wurde schon oft versucht, dieses Rätsel zu ergründen. Insider sind sich einig, dass es mit der Art und Weise zu tun haben muss, wie sich Jennifers Karriere und Privatleben miteinander verwoben haben. Darüber hinaus herrscht jedoch Uneinigkeit.
Eine Gruppe meint, dass ihr „Mädchen von nebenan“-Image der Schlüssel zum Verständnis ihres Lebens und ihrer Karriere sei. Eine Gelegenheitskellnerin, wurde sie durchs Fernsehen zum Star, nicht durch ihre Theaterrollen (zumeist Off-Off-Broadway). Sie verkehrt nicht auf den Jachten der Superreichen und in den Nobelressorts dieser Welt. Anstatt typische Hollywood-Allüren an den Tag zu legen, bleibt sie zurückhaltend und selbstkritisch, ja scheint sogar ihren Erfolg zu missbilligen.
Und deshalb, so diese Theorie, ist uns ihr Beispiel fortwährender Trost. Anistons Karriere führt uns vor Augen, dass auch wir Filmstars werden könnten, wären wir nur so dünn wie sie, ließen uns eine so teure Frisur wie die ihre verpassen und würden so hart arbeiten wie sie. Ganz offensichtlich sind wir nicht bereit, diese Mühen auf uns zu nehmen, aber Aniston beweist uns allen, dass wir, sofern wir uns nur aufrafften, genauso erfolgreich sein könnten wie sie. Daher lieben wir sie.
Dieser Ansicht wird selbstverständlich von einer anderen Gruppe von „Experten“ heftig widersprochen, die behauptet, dass nicht Anistons Erfolg sie so interessant für uns macht, sondern vielmehr das Gegenteil. Obwohl sie in Elysium wohnt, ist sie dennoch so etwas wie ein Verlierer, auf der Leinwand wie im richtigen Leben. Ihre Filmkarriere hat dazu geführt, dass sie in einer Sisyphos-artigen Hölle von drittklassigen romantischen Komödien gefangen ist, die ihr nur Schimpf und Schande einbringen. Sie hat mir nichts, dir nichts den „Sexiest Man Alive“ an eine andere verloren. Jetzt hat sie keinen Mann, und auch kein Baby, obwohl sie sich angeblich nach beidem sehnt.
Diese Darstellung soll uns eine andere Art von Befriedigung verschaffen. Filmstars, sagt sie, sind bisweilen sogar schlechter dran als wir Normalsterblichen. Deshalb sollten wir gar nicht erst versuchen, in ihre Welt aufzusteigen. Selbst wenn uns der Erfolg mit seinen glitzernden Armen umfangen sollte, könnten wir doch so bemitleidenswert enden wie Jennifer Aniston, weshalb es nur allzu ratsam ist, dort zu bleiben, wo wir sind. Daher lieben wir sie.
Keine der beiden Theorien stimmt mit den Fakten überein. Das Mädchen von nebenan ist gerade erst in eine weitläufige Villa in Beverly Hills übersiedelt, die unter anderem über ein Spa, ein exklusives Klavier von Sauter und einen antiken Thai-Gong verfügt, mit dem zum Essen gebeten wird. Das Lieblingsziel der Verachtung der Kritiker ist sehr wohl zu großartigen darstellerischen Leistungen fähig, wie jeder bestätigen kann, der „The Good Girl“ gesehen hat. Wie dem auch sei, sie ist ein Star an den Kinokassen – Nummer zwei unter den bestverdienenden Schauspielerinnen Hollywoods. Falls sie wirklich einen Freund haben wollte, könnte sie sich so gut wie jeden nehmen.
Jennifer Aniston selbst ist unermüdlich bemüht, die beiden widerstreitenden Mythen, zu denen sie inspiriert hat, nach Kräften zu bedienen. Andere Stars blocken Fragen nach ihrem Privatleben ab. Aniston sagt bereitwillig: „Wenn ich die Verkörperung von ‚So sieht es also aus, das einsame Mädchen zu sein, das mit seinem Leben weitermacht’ bin, soll es mir recht sein.“ Als etablierter Massenmagnet hat sie es nicht nötig, in drittklassigen romantischen Komödien mitzuspielen, die ihr angebliches privates Liebesleid widerspiegeln. Sie möchte es, vermutlich um die charakteristische, eigenwillige Marke „Jennifer Aniston“ zu stärken.
Mit „Der Kautions-Cop“ erklimmt diese Strategie neue Höhen. Obwohl diese romantische Action-Komödie kaum Romantik, Action, geschweige denn Komödie zu bieten hat, schafft sie es dennoch, die Heldin bis dato nicht gekannten Demütigungen auszusetzen. Jennifer Aniston wird in den Kofferraum eines Wagens gesperrt, in einen Teich gestoßen und mit Handschellen an einen Bettpfosten gefesselt. Ihre Behauptung, ein Model gewesen zu sein, trägt ihr die Entgegnung „Wie lange ist das schon her?“ ein. Sie kriecht reumütig zu dem ungehobelten Kerl zurück, mit dem sie verheiratet war. Und dann gibt es da auch noch ein Unfruchtbarkeitsdrama.
Warum macht sie das? Vielleicht, weil es funktioniert. Vorzugeben, sowohl ein „Mädchen von nebenan“-Superstar als auch eine launische Berühmtheit zu sein, könnte tatsächlich Sinn machen. Vielleicht wollen wir daran glauben, dass unsereiner zum Weltstar werden kann, aber die meisten müssen diese Vermessenheit teuer bezahlen. Echte Stars, bilden wir uns vielleicht ein, müssen Götter und Göttinnen sein, die aus anderem Material gemacht sind als wir Normalsterblichen. Nur so können sie unsere dauernde Treue rechtfertigen.
Falls das Jennifer Anistons Strategie ist, dann scheint sie zu gewinnen. Sehen sie nur, was mit ihrer berühmten Gegenspielerin passiert ist. Angelina Jolie mag zwar ein transzendenter Megastar sein, der von einer Hollywoodgröße abstammt, aber der Glanz ist am Verblassen und ihre Beziehung mit Anistons Exmann ist Gegenstand vulgären Klatschs. Sie mag verehrt werden, aber sie wird auch heruntergemacht als hochmütiges Männer raubendes Biest.
In der Zwischenzeit ist Jennifer Aniston nicht nur reich, frei von Sorgen und begehrenswert; sie genießt die Zuneigung der ganzen Welt. Schmähen Sie sie auf eigene Gefahr.
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