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Alice im Wunderland – Optisch beeindruckend, sonst wenig überzeugend

Freitag, 5. März 2010

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Originaltitel: Alice in Wonderland
Herstellungsland: USA 2010
Regie: Tim Burton
Drehbuch: Linda Woolverton, basierend auf 2 Büchern und einem Gedicht von Lewis Carroll
Darsteller: Johnny Depp, Mia Wasikowska, Helena Bonham Carter, Anne Hathaway, Crispin Glover, Matt Lucas, Stephen Fry, Michael Sheen, Alan Rickman, Timothy Spall

 

In Tim Burtons „Alice im Wunderland“ ist Alice – nicht etwa durch „Trink mich“-Trank oder „Iss mich“-Kuchen, sondern auf ganz natürliche Weise – zu einem 19-jährigen Mädchen herangewachsen.copyrightjps2010_2

Linda Woolverton hat sich großzügig bei den beiden klassischen „Alice“-Büchern von Lewis Carroll sowie seinem Gedicht „Jabberwocky“ bedient und ein stark an aktuellen Hollywoodtrends orientiertes Drehbuch verfasst. In dieser Adaption wird aus dem Kind Alice eine fast erwachsene Frau, was Tim Burton die Möglichkeit gibt, ihre Reise durch einen düstereren und viel gefährlicheren Spiegel zu betrachten.

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Zu Beginn des Films erhaschen wir einen kurzen Blick auf das spröde, viktorianische Mädchen aus Carrolls Geschichte als es allem Anschein nach von seiner Reise ins Wunderland erwacht. Ihr Vater erklärt Alice, dass ihre verstörenden Träume tatsächlich bedeuten, dass sie verrückt ist, worauf sie erwidert: „Alle wirklich guten Menschen sind es“.

Das ist zugleich die Grundaussage von Burtons 3-D-Version des bekanntesten Werkes von Lewis Carroll, die, wie erwähnt, auch viele Elemente aus der Fortsetzung „Durch den Spiegel und was Alice dahinter fand“ (Through the Looking Glas) mit einbezieht. Der Film wurde in 2-D - also ganz konventionell – gedreht und erst in der Nachbearbeitung in das 3-D-Format umgewandelt, was sehr deutlich zu bemerken ist und dazu führt, dass die Effekte weniger spektakulär, sondern eher ablenkend wirken. Nach ungefähr einer Stunde wünschte ich mir sehnlichst, die unangenehme Plastikbrille abnehmen und den Rest des Filmes ganz konventionell ansehen zu können.

Man kann sich eines gewissen Unbehagens nicht erwehren, wenn man hört, dass lieb gewonnene Klassiker ein „Update“ erfahren sollen als wären sie Lokalnachrichten oder Softwareprogramme.

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Der Film überbrückt sehr rasch 13 Jahre. Alice (gespielt von der vielversprechenden jungen Australierin Mia Wasikowska, die zuvor unter anderem in der von HBO produzierten Fernsehserie „In Treatment“ zu sehen war) wird von dem bekannten, pünktlich paranoiden Hasen (gesprochen von Michael Sheen) zurück ins Wunderland gelockt.

Sie entflieht einer in Weiß und Pastellfarben gehaltenen Realität (wo sie mit großem Tamtam einen Mann heiraten soll, den sie verachtet) und fällt in das Loch, das sich direkt unter einem Baum befindet, der dem aus Burtons „Sleepy Hollow“ zum Verwechseln ähnlich sieht.

Alice kann sich an ihre letzte Reise ins Wunderland nicht erinnern. Dieses Mal ist der Plot ähnlich, aber es gibt doch gewisse Unterschiede. Es ist Unterland, nicht Wunderland. Die Teegesellschaft wirkt irgendwie verblasst und heruntergekommen. Und es scheint, als wäre Alice aus unerfindlichen Gründen die „falsche Alice“.

Diese Alice unterscheidet sich sehr von der, die Carroll geschaffen hat. Während die Alice aus dem Buch von 1865 unsicher ist und sich auf einer Reise befindet, die im Wesentlichen der Selbsterkenntnis dient, ist die „neue“ Alice viel selbstbewusster. Die Begegnung mit dem blauen Raupe (gesprochen von Alan Rickman) ist weniger „We-e-er bist Du-u-u?“, sondern eher eine Gelegenheit für Alice, sich zu beweisen – gegenüber der Raupe und allen anderen.

„Das ist mein Traum. Ich gestalte den Weg“, sagt sie.

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Tim Burtons „Alice im Wunderland“ spiegelt viel mehr die Gegenwart wider als das Zeitalter von Lewis Carroll. Dawäre etwa der Triumph über die „Herrschaft über alle Lebewesen“, wie sie von der großköpfigen Roten Königin (brillant dünnhäutig gespielt von Helena Bonham Carter) ausgeübt wird, und da wäre Alices „Mädchenpower“. Am Ende kehrt sie zurück in ihre Welt, um sich – ausgerechnet - in China unternehmerisch zu betätigen.

Die Lehre, die man aus Carrolls Geschichte ziehen kann, ist eine ganz andere. In ihr geht es nicht um die Vorbereitung auf ein anständiges und produktives Erwachsenenleben, sondern um die Formung und Bestätigung ihres „einfachen und liebenden kindlichen Herzens“.

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Burtons Film mangelt es nicht an schrulligen Einfällen. Ein Großteil des Designs ist wunderbar originell – mit Sicherheit das Anziehendste an dem Leinwandopus. Lobend erwähnt seien auch die visuellen Effekten, für die Ken Ralston verantwortlich zeichnet, sowie die Kostüme von Colleen Atwood. Es gibt einige sehr elegante Momente im Film – etwa die Überkopf-Einstellung, in der gezeigt wird, wie Alice in den Wogen ihres Kleides versinkt, oder die enorme speicheltriefende Zunge des abscheulichen Bandersnatch. Der unglaubliche Märzhase (gesprochen von Paul Whitehouse) ist ebenfalls ein wahres Vergnügen.

Aber Burton und seine Drehbuchautorin haben die Originalgeschichte aufgefettet, weshalb sie weniger persönlich anmutet, sondern viel eher an die unzähligen Actionfilme erinnert, in denen junge Helden weit überlegene Bösewichte zur Strecke bringen müssen. Danny Elfmans Musik unterstützt diesen Eindruck noch, sorgt aber auch dafür, dass die Stimmung stets düster bleibt.

Der Cheshire Katze (gesprochen von Stephen Fry), normalerweise eine der zentralen Figuren, kommt hier kaum Bedeutung zu, es scheint fast, als existiere sie nur als eine Art Verbeugung vor dem Original.

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Und dann wäre da noch der Mad Hatter (der verrückte Hutmacher), eine Rolle, für die Johnny Depp wie geschaffen ist. Selten hat man ihn mit so viel Freude spielen gesehen, wie in dieser, seiner siebenten Zusammenarbeit mit Regisseur Burton, der wohl sein bester Freund in der Filmbranche ist. Das Vergnügen wird ein wenig getrübt durch das Gefühl, ihn schon zu oft ihn ähnlichen Rollen gesehen zu haben; doch zu wünschen, er möge nicht immer wieder verrückte Clowns spielen wäre so, als hätte man seinerzeit von Fred Astaire verlangt, in seinen Filmen nicht so viel zu tanzen. Wenn es etwas an seiner Darstellung zu kritisieren gibt, dann ist es sein seltsamer schottischer Akzent, der alles, was er sagt, irgendwie gleich klingen lässt.

Die vielen bewegenden Figuren – Anne Hathaway fügt sich als Weiße Königin angenehm in Burtons Welt ein, wenn sie auch aus unerfindlichen Gründen ein Make-up verpasst bekommen hat, das sie wie Cicciolina, die italienische Pornodarstellerin und Politikerin aussehen lässt, und auch Cripin Glover als Herzbube macht gute Figur – ergeben dennoch nur eine unterdurchschnittliche „Alice“. Die Verfilmung aus dem Jahre 1933 mit Cary Grant und W.C. Fields ist wahrscheinlich noch immer die beste.

Fazit: Obwohl Burtons Film mit einigen exzellenten schauspielerischen Leistungen aufwarten kann, ist er dennoch, wie die Raupe sagt, nur „beinahe Alice“. Am Ende fragt man sich „Wo ist das Wunder?“

 

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