Der Held begibt sich auf die Suche – und die Probleme des Filmes fangen an
Originaltitel: My Name is Khan
Herstellungsland: Indien 2010
Regie: Karan Johar
Drehbuch: Shibani Bathija (Story), Shibani Bathija und Niranjan Iyengar (Dialoge)
Darsteller: Shahrukh Khan, Big Spence, Kajol, Shane Harper, Christopher B. Duncan, Jennifer Echols, Steffany Huckaby
Die für das Bollywood-Kino typische Art des Geschichtenerzählens ist in all seiner das Hinterteil einschläfernden Glorie in „My Name is Khan“ immer und überall evident. Der Film schildert eine Odyssee, die den Protagonisten von Indien in die USA führt, und müht sich redlich, eine „Wie die anderen uns sehen“ Botschaft ans Publikum zu bringen.
Die indische Hochglanzproduktion erzählt eine recht vergnügliche, wenn auch politisch aufgeladene Liebesgeschichte zwischen einem indischen Moslem (Shahrukh Khan), der an einer leichten Form von Autismus leidet, und einer alleinerziehenden hinduistischen Mutter (Kajol), über weite Strecken zu Herzen geht und sogar amüsiert – trotz des äußerst naiven „Die Liebe überwindet alle Hindernisse“-Ansatzes des Drehbuchs.
Diese Romanze dauert ungefähr 75 Minuten. Dann erscheint kurz das Wort „Pause“ auf der Leinwand, worauf der Film noch eineinhalb Stunden weitergeht – und zu einer Suche im Stile von „Forrest Gump“ verkommt, in der immer wieder die schlechte Behandlung, ja Verteufelung der Muslime seit dem 11.September 2001 thematisiert wird.
Die außerordentliche Länge ist nicht das einzige Bollywood-Charakteristikum des neuesten Werkes von Karan Johar. Es bietet viel schwungvolle Musik, allerdings wenig Gesang (lediglich „We Shall Overcome“ auf Englisch und Hindi), eine im großen und ganzen keusche Romanze und jede Menge Melodrama. Aber im Gegensatz zu Danny Boyles unterhaltsamem Ausflug ins Bollywood-Genre, „Slumdog Millionaire“, beweist Khan, dass Bollywood ungefiltert in den meisten Fällen auf das westliche Publikum eher ärgerlich als einnehmend wirkt.
Der Held des Filmes, Rizwan Khan, reist nach San Francisco. Er ist ein pathologisch schüchterner Mann, dessen autistische Erkrankung erst nach seiner Ankunft diagnostiziert wird. Das hindert seinen Bruder jedoch nicht daran, ihn loszuschicken, um Schönheitsprodukte auf Kräuterbasis an Schönheitssalons, Friseure und Hausfrauen zu verkaufen.
Ein Mann, der ungern Neues ausprobiert, der unbeholfen ist im Umgang mit Menschen, der keinen Augenkontakt aufnehmen kann, der anfällig ist für verstörende Neurosen und dafür, alles zu wiederholen, was andere sagen, und noch dazu panische Angst vor der Farbe Gelb hat, soll Verkäufer werden? Okay. Und natürlich bezaubert er die wunderbare Friseuse (Kajol, eine betörende Schönheit) und macht sie zu seiner Frau, trotz seines Autismus.
„Ich sterbe, wenn ich nicht Dein Haar schneiden darf“.
„Nein, nein“, sagt er, der, wie bei seiner Erkrankung üblich, alles wörtlich nimmt. „Stirb nicht“.
Die ganze Geschichte wird in Rückblenden erzählt, während Khan in sein Tagebuch schreibt. In der Gegenwart ist er in dringender und sehr persönlicher Mission unterwegs. Die ungemütlichen und finsteren Wochen und Monate nach den Anschlägen des 11.September, als Menschen verschiedenster Hautfarbe und aus unterschiedlichsten Kulturen des Terrorismus verdächtigt wurden, weiten sich zu Jahren der Verfolgung aus. Khan verspürt das Bedürfnis, allen und jedem zu sagen: „Ich bin kein Terrorist!“
Da ein Problem offenbar nicht genug Stoff hergab, ließ man so gut wie alles, was im Laufe der letzten Jahre passierte, in die Handlung einfließen und den Helden zu neuen Taten inspirieren: 9/11 wird abgelöst von Gewaltverbrechen aus Hass, von illegalen Inhaftierungen, von Folter…
Oh, und da ist dann noch ein Katrina-artiger Hurrikan, der Georgia verwüstet und Khan zu einem Volkshelden macht.
Je länger „My Name is Khan“ dauert, desto schlechter wird der Film. Die unterschiedlichen Schauplätze führen dazu, dass die Macher es mit den Landschaften nicht so genau genommen haben: So muss etwas die kalifornische Wüste rund um Joshua Tree muss für Kentucky einspringen, während sich die farbigen Kirchgänger einer Kleinstadt in Georgia auf der regnerischen indischen Hochebene pudelwohl zu fühlen scheinen.
Die fast ausschließlich indische Themen behandelnden Nachrichtensendungen (die von allen verfolgt werden) und der eigenwillige Schnitt des Films deuten darauf hin, dass „My Name is Khan“ ursprünglich nicht für ein westliches Publikum gedacht war.
Aber Shahrukh Khans Darstellung ist durchwegs überzeugend, aber auch Kajol beweist beachtliches Talent. Es ist ein gut aussehender Film mit all dem Glanz, der Bollywood zumindest in optischer Hinsicht zu einem ernsten Konkurrenten für Hollywood macht.
„My Name is Khan“ lässt erkennen, dass, während die Ambition, die technischen Fertigkeiten und das schauspielerische Talent zweifelsfrei vorhanden sind, die indischen Autoren noch viele westliche Filme studieren müssen, um zu lernen, wie man Drehbücher richtig strukturiert.
Fazit: Überlanger Bollywood-Streifen, der ambitioniert beginnt, aber an seinen übergroßen Ambitionen scheitert und von Minute zu Minute schlechter wird. Immerhin vermögen die beiden Hauptdarsteller voll und ganz zu überzeugen.
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