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Ich sehe den Mann deiner Träume (Review)

Donnerstag, 16. Dezember 2010

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Das haben Sie schon gesehen - und zwar besser

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Originaltitel: You Will Meet a Tall Dark Stranger
Herstellungsland: USA/ESP 2010
Regie: Woody Allen
Drehbuch: Woody Allen
Darsteller: Anthony Hopkins, Naomi Watts, Josh Brolin, Freida Pinto, Lucy Punch, Gemma Jones, Pauline Collins, Antonio Banderas, Rupert Frazier, Kelly Harrison, Eleanor Gecks

Wenn in der Eröffnungsszene von Woody Allens neuem Film eine ältliche Geschiedene (Gemma Jones) ein Medium aufsucht, darf man beunruhigt sein. Die wievielte Hellseherin ist das für ihn? Als ihr Ex-Ehemann Alfie (Anthony Hopkins) seiner Tochter Sally und seinem Schwiegersohn Roy (Naomi Watts und Josh Brolin) seine – natürlich! – sehr viel jüngere Verlobte Charmaine (Lucy Punch) vorstellt, begann mein herz zu sinken. Charmaine trägt hautenge Miniröcke und zeigt viel Dekolleté. Sie sieht aus wie die Russ-Meyer-Version von jemandem in einer bestimmten Popgruppe: Viagra Spice. Erwähnte ich schon, dass sie Prostituierte ist?

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„Ich sehe den Mann deiner Träume“, Woody Allens 40. Film, ist abgegriffen bis zum Geht-nicht-mehr. Seine Filme kommunizieren immer miteinander. Aber selbst wenn man an ihn mit derselben Nachsicht herangeht wie an seine anderen Werke der letzten Jahre, etwa den extrem überbewerteten Streifen „Match Point“ oder den sträflich unterbewerteten „Cassandras Traum“, muss man konstatieren, dass dem neuen Film an Motiv und Witz mangelt. Alle Charaktere sind frustriert. Sally wünscht sich ein Baby und ihre eigene Galerie und möchte, dass Roy seine Schreiberei aufgibt und sich wieder der Medizin zuwendet. Außerdem möchte sie von ihrem verheirateten Chef (Antonio Banderas) begehrt werden. Roy verzehrt sich nach der kurz vor der Eheschließung stehenden wunderschönen Musikstudentin (Freida Pinto), die gegenüber wohnt.

Die zentralen Themen des Films sind Vertrauen, Betrug, die Wandelbarkeit des Geschicks und die Sterblichkeit. Leider werden wir alle eines Tages einem großen dunklen Mann begegnen. Aber Allen ist zu gut gelaunt, um den Film in düsterere Gefilde zu führen, wo er vermutlich besser gediehen wäre. Roys sexuelle und literarische Verzweiflung ist nicht akut, aber sie ist auch nicht lustig. Allen enthüllt eine Plotwendung, die den Film in einen schwarzhumorigen Thriller hätte verwandeln können. Er setzt stattdessen auf komische Ironie, die so dezent ist, dass man sie kaum noch als komisch wahrnimmt. Es gibt keinerlei Spannungsmomente. Allens kreatives Gummiband hat sich verheddert.

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„Ich sehe den Mann deiner Träume“ ist ein Film, den Allen im Schlaf hätte drehen können; dem Ergebnis nach zu urteilen, hat er es wohl auch getan. Der ausgezeichnete Kameramann Vilmos Zsigmond steuert einen leicht chardonnayfarbenen Glanz bei (der wunderbar mit all der gebräunten Haut harmoniert). Aber er vermag das nachlässige Gebaren des Films nicht aufzuwiegen. Die Stimme aus dem Off, die mit einem Zitat aus „Macbeth“ einsetzt, klingt, als wäre sie in einer Badewanne aufgenommen worden. Selbst in einem Durcheinander wie „Vicky Christina Barcelona“ hatte das Schauspiel Energie. Punch hat hier einige gute Momente, fast alle rein körperlich, und Jones wirft ihre Dialogzeilen weg wie eine Frau, die den Müll mit weißen Handschuhen entfernt, aber niemand bringt es zuwege, den dichten Nebel des Films zu durchdringen, nicht einmal Allen selbst.

Dies ist jedoch nicht dieselbe traurige Schmach wie „Whatever works – Liebe sich wer kann“, sein vorheriger Film. Manches in „Ich sehe den Mann deiner Träume“ funktioniert sogar recht gut, nur leider sind diese Momente zu selten. Allen schwindelt sich hier so durch, er scheint mehr zu skizzieren als wirklich zu kreieren. Die Sinnlosigkeit des Lebens ist schon seit Jahrzehnten ein beherrschender Gedanke in Allens Werk. Dieses Mal jedoch wirkt diese Sinnlosigkeit mehr wie ein Mangel in der Umsetzung denn ein existenzialistisches Statement. Man gewinnt nie den Eindruck, dass dieser Film es verdiente, gemacht zu werden. Es ist viel mehr ein Werk der Gewohnheit als der Inspiration.

Fazit: Woody Allen auf Autopilot. Einige Witze und zwei, drei gute darstellerische Leistungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier in punkto Ideen schmale Kost angesagt ist. Einer der schwächeren Allen-Filme.

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