Leider ist größer ist nicht immer besser
Originaltitel: Gulliver´s Travels
Herstellungsland: USA 2010
Regie: Rob Letterman
Drehbuch: Joe Stillman, Nicholas Stoller, basierend auf dem Buch von Jonathan Swift
Darsteller: Jack Black, Jason Segel, Emily Blunt, Billy Connolly, Amanda Peet, Chris O´Dowd, T.J. Miller, James Corden, Catherine Tate, Richard Laing, David Sterne
Manche Bücher sind zu erwachsen für die Erwachsenen – und deshalb werden sie flugs in Geschichten für Kinder verwandelt.
Schließlich ist es viel sicherer und bequemer, sich vorzustellen, „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ handle nur von einem verrückten Wissenschafter oder „Alice im Wunderland“ erzähle nur von einer verrückten Teeparty, als sich mit der in diesen Büchern zum Ausdruck gebrachten pointierten Kritik von Moral, Geschichte und Gesellschaft auseinanderzusetzen.
Besser kindisch als beißend satirisch – und so wurde Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“ schon vor langer Zeit seiner Kommentare zu religiöser Intoleranz und politischer Idiotie beraubt und zu einem Kinderbuch degradiert, in dem es nur um einen schiffbrüchigen Seefahrer und kleine, auf herzige Weise kriegerische Eingeborene geht.
Dieser vereinfachte, kindische Ansatz wurde auch für die neueste Version gewählt, die die Story modernisiert (Gulliver ist nun nicht mehr Schiffsarzt, sondern ein Faulpelz aus Manhattan), drei Viertel der Abenteuer weglässt und den mageren Rest in 3D präsentiert.
Woran liegt es nur, dass diese neue Version sogar meine Illustrierte Klassiker-Ausgabe wie 4D wirken lässt?
Ein großer Teil dieser Verminderung des Materials geht auf die Kappe von Hauptdarsteller Jack Black. Erstmals offenbarte er eine gewisse exzentrische Anziehungskraft in Filmen wie „High Fidelity“ und wirkte dann in „School of Rock“ mit seiner Bereitschaft, alles für einen guten Gag zu tun, ob das Publikum das nun sehen will oder nicht, kurzfristig wie die neue Komödiensensation.
Unglücklicherweise stellte sich das, was Blacks neuester Charakter zu sein schien – der saloppe Clown mit grotesken Augenbrauen und einer Vorliebe für kitschigen Rock -, bald als sein einziger Charakter heraus. Und seine Bereitschaft, auf Aufforderung (oder auch ohne) alles zu tun, scheint nicht mehr so eine Tugend zu sein.
Ich meine – ehrlich -, haben Sie wirklich das brennende Verlangen, Jack Blacks Hinterteil zu sehen? Im Lande Liliput, wo es zwölfmal so groß wie normal aussieht?
Eben.
Der Film zieht auch – eine typische „Wunscherfüllungs“-Besetzung – die arme Amanda Peet als Blacks „heimliche Angebetete“ mit hinein, die sich selbstverständlich am Schluss auch in ihn verliebt (eine Entwicklung, die noch viel unglaubwürdiger ist als die Entdeckung der Westentaschenwelt von Liliput). Und Emily Blunt als winzige Prinzessin, die sich unverständlicherweise in den knollengesichtigen Jason Segel verguckt.
Noch viel krimineller ist das Casting – und die Vergeudung - von echten komödiantischen Talenten wie Billy Connolly, der als winziger König ständig ermüdend schäumt, und Lucy Punch, die immer wie eine zum Leben erwachte „Avenue Q“-Puppe aussieht, aber hier überhaupt nichts zu tun bekommt.
Aber in diesem Film wird sehr viel verschwendet, unter anderem auch die $2 oder $3, die Studio für die furchtbaren Spezialeffekte ausgab. Doch einen scheint das nicht im Geringsten zu stören: Black stolziert grinsend als kolossaler, kolossal unlustiger Clown durch die Kulissen.
Es ist eine Schande, denn Swifts Klassiker hat mehr als genug Scharfsinnigkeit und Witz zu bieten – und echte Weisheit. In seinem letzten Teil – den fast jeder, der das Buch adaptiert, überspringt - findet sich Gulliver in einem Land wieder, das von eleganten, intelligenten Pferden und schmutzigen, ungebildeten menschlichen „Yahoos“ bewohnt wird. Der arme Held endet als müder, verbitterter und misanthropischer Mann.
Und er hat nicht einmal diesen Film gesehen.
Fazit: Pure Geld- und Zeitverschwendung. Jonathan Swifts Klassiker wurde seines Witzes und seiner Weisheit beraubt und zu einer billigen Klamotte degradiert, in der Jack Black absolut nichts Neues zeigt. Und in 3D wirkt das Ganze noch unerträglicher.
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