Hervorragende schauspielerische Leistungen machen einen eher langweiligen und auf Filmpreise getrimmten Film erträglich
Originaltitel: The King´s Speech
Herstellungsland: UK/AUS/USA 2010
Regie: Tom Hooper
Drehbuch: David Seidler
Darsteller: Colin Firth, Helena Bonham Carter, Derek Jacobi, Robert Portal, Richard Dixon, Paul Trussell, Geoffrey Rush, Jennifer Ehle, Charles Armstrong, Calum Gittins
Große Schauspieler freuen sich über große Herausforderungen.
Gilt es, jemanden mit einem Akzent oder einem Sprachfehler zu spielen? Einen Hinkenden? Einen Buckligen? Diese körperlichen Details rufen in den Darstellern nicht nur Erinnerungen an das kindliche Verkleidenspielen wach, sondern bieten auch riskante neue Gelegenheiten für den Gewinn des einen oder anderen großen Filmpreises.
Doch wirklich große Schauspieler stellen sich diesen Herausforderungen nicht nur auf rein spieltechnischer Ebene.
Und in „The King´s Speech“ erinnert uns Colin Firth einmal mehr daran, was für ein großartiger Schauspieler er ist.
Wir sollten es auch nicht vergessen haben – erst letztes Jahr war er in „A Single Man“ einfach umwerfend und hätte für diese Leistung nicht nur für einen Oscar nominiert werden, sondern die Statue auch gewinnen müssen (tut mir leid, Jeff Bridges).
Vielleicht wird diese Kränkung heuer gutgemacht.
Es ist nur allzu verständlich, dass sich Firth als klassisch ausgebildeter Schauspieler für seine Rolle in diesem Film rasch erwärmen konnte. Er spielt König George VI, das Oberhaupt des Britischen Empire während der Jahre des Zweiten Weltkrieges, dessen erste und wichtigste Pflicht es war, sein fast lebenslanges Stottern zu überwinden.
Für den König war dies jedoch nicht nur eine rein persönliche Herzenssache, es war eine Staatsangelegenheit; er verfügte zwar kaum über politische Macht, doch seine wichtigste Rolle – als Inspiration für seine Landsleute in schwierigen Zeiten - hatte sich seit mehr als tausend Jahren nicht verändert. Und er wusste, dass ein Anführer ohne Stimme nie wirklich anführen kann.
Deshalb begann er, bei einem sich vorsätzlich proletenhaft gebenden Australier, der darauf bestand, ihn „Bertie“ zu nennen, Sprechunterricht zu nehmen.
Aber Firth ist nicht nur ein Meister der Technik, sondern auch der Emotion. Wie manche Stars vor ihm - Daniel Day-Lewis in „Mein linker Fuß“, Ian McKellen in „Richard III“ – hat er nicht nur eine Studie eines körperlichen Gebrechens geschaffen, sondern das Drama eines Mannes, der in einem gefangen ist und heftig darum kämpft, auszubrechen.
Es ist eine brillante, tief bewegende darstellerische Leistung.
In Geoffrey Rush hat er einen kongenialen Partner. Rush, der hier auch als einer der Produzenten fungiert, hat die wesentlich weniger dankbare Rolle von Lionel Logue, dem Sprechtrainer, übernommen. Doch er ist, genau wie seinerzeit der echte Logue, ein exzellenter Gegenpart – er hänselt und testet diesen einsamen Mann, der auf so schreckliche Weise von der realen Welt abgeschnitten ist.
Regisseur Tom Hooper erzählt die Geschichte sehr einfach, ohne auf traumatische Rückblenden und akustische Effekte zurückzugreifen. Stattdessen konzentriert er sich darauf, die damalige Zeit detailgetreu darzustellen. (Die rissigen mit Gips verputzten Wände von Logues Büro haben ihren eigenen speziellen altersschwachen Reiz.) Und natürlich auf seine hervorragende Besetzung – darunter Derek Jacobi als Erzbischof von Canterbury und Helena Bonham Carter als Ehefrau von George VI.
Diese Einfachheit macht es uns möglich, uns ganz auf das (einfach gestrickte) Drama zu konzentrieren, besonders auf Firths tiefempfundene Darstellung. Er zeigt uns das fast körperliche Unbehagen des Stotterns des Königs. Aber er offenbart auch den emotionalen Schmerz, als ihn die Mitglieder der Familie wie ein Kind behandeln, einen Schwächling, eine Witzfigur oder - am schmerzlichsten - wie jemanden, dem man überhaupt nicht zuhört.
Doch nicht alles an dem Film ist perfekt. „The King´s Speech“ wird etwas langatmig, sobald er die schäbigen Räume verlässt, in denen der König und Logue so hart arbeiten. (Er verkürzt auch die englische Geschichte auf ziemlich bedenkliche Weise; einige der engsten Verwandten des Königs wurden einfach weggelassen und die politischen Ansichten von Winston Churchill geschönt, damit das Klischee des Zigarre rauchenden Helden aufrechterhalten werden kann.) die Szenen könnten ein wenig bissiger und die dramatischen Wendepunkte der Geschichte etwas dramatischer gestaltet sein. Lustig wird der Film, den man durchaus als Prequel zu „The Queen“ bezeichnen könnte, nur einmal, und zwar ganz am Ende und unfreiwillig: Der König erklärt Deutschland den Krieg, während Beethovens 7. Symphonie immer weiter anschwillt. Anscheinend konnte der Regisseur kein Stück eines britischen Komponisten finden, um die große Botschaft zu transportieren.
Und trotz der großartigen schauspielerischen Leistungen ist und bleibt es die wenig bemerkenswerte Geschichte eines Mannes, der das Stottern überwindet. Aber genau das sollte dazu führen, dass einem Darsteller endlich die verdiente Auszeichnung zuteil wird.
Fazit: Eine eher banale Geschichte voll von historischen Ungenauigkeiten, die ausschließlich von den großartigen Darstellern lebt. Ein Pflichtfilm für die Liebhaber der englischen Sprache und der gepflegten britischen Schauspielkunst.
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