Für den Fall, dass Sie in den letzten Tagen weder ferngesehen noch Zeitung gelesen haben, möchte ich Sie daran erinnern, dass in der kommenden Nacht die Oscars vergeben werden.
Bevor Sie tausende Blogger, Twitter-Nutzer sowie einige Fernsehsender mit mehr oder weniger gelungenen Bemerkungen durch die Nacht begleiten, möchte ich die Zeit nützen, um Ihnen noch einmal die Nominierten kurz näherzubringen, und zwar vom schlechtesten Film bis hin zum besten:
Danny Boyle kann sich glücklich schätzen, dass sich einige Akademiemitglieder gerade noch so daran erinnern können, wie gut ihnen „Slumdog Millionaire“ anno 2008 gefiel, denn es besteht nicht die geringste Chance, dass dieses falsch aufgefasste, protzige, reizlose Stück Film aufgrund eigener Meriten nominiert wurde.
„Oh verdammt, Darren Aronofsky drehte all diese tollen Filme in den Neunzigern und wir waren zu sehr damit beschäftigt, Paul Haggis mit Oscars zu überhäufen, um es zu bemerken.“
„Macht nichts, wir werden ihn einfach für seinen nächsten Film nominieren, selbst wenn er ein sich selbst parodierendes, langweiliges Durcheinander ist.“
Es ist schön, wenn man zu einer Performance von Christian Bale einen zweistündigen Boxerfilm gratis dazubekommt. Doch diesen den besten Film des Jahres zu nennen, ist in etwa so, als würde man die DVD-Extras von „Toy Story 3“ mit der Goldenen Palme auszeichnen.
Christopher Nolan erhielt endlich die Chance, sein beeindruckendes Oeuvre mit diesem filmischen Äquivalent eines Mathematiklehrbuches zu beflecken: 50% Erklärung, 50% Anwendung, vernachlässigbarer Unterhaltungswert. Und der Film war nicht einmal anständig genug, am Schluss die Antworten zu geben.
Diese etwas enttäuschende Mainstream-Arbeit der Coen-Brüder ist weit davon entfernt, schlecht zu sein, doch fehlt ihr die für die beiden typische Aufsässigkeit. Die Coens profitieren mehr als alle anderen Regisseure von der Aufstockung auf 10 Nominierte, was ihnen von jetzt an wohl jedes Jahr eine Nominierung garantieren dürfte.
Ja, dieser Film wird gewinnen. Nein, er verdient es nicht. Aber wenigstens zählt dieser britischste aller britischen Filme zur besseren Hälfte der in diesem Jahr Nominierten. „The King´s Speech“ ist zynisch und formelhaft, doch ohne Zweifel publikumswirksam, weshalb die Akademie es durchaus schlechter treffen könnte als mit diesem unnötigen Liebesbrief an die britische Monarchie.
Di für die Oscars Wahlberechtigten erfüllten zugleich ihre „Indie-Juwel“- und ihre „Elendsporno“-Quote mit diesem Film, der eine befriedigende, aber nicht im Gedächtnis bleibende Mischung dieser beiden Kategorien bietet. „Winter´s Bone“ ist gleich „The Fighter“ mehr eine Performance mit einem Film drumherum, doch werden hier wenigstens einige leidlich spannende Showdowns geboten.
Für sich genommen großartig, doch im Kontext eher enttäuschend, war der Abschluss der fünfzehn Jahre währenden „Toy Story“-Saga das herausragendeste Opfer des Schwieriger-dritter-Film-Syndroms des vergangenen Jahres. Der Film bot Lacher, hatte Herz, wartete mit fantastischer Animation auf, aber geben Sie es ruhig zu, etwas stimmte nicht ganz.
Es ist eine traurige Sache, wenn mein zweitliebster Film unter den Oscar-Nominierten nur auf Platz 21 meiner liebsten Filme des letzten Jahres rangiert. Dennoch ist es nett, dass dieser eher bescheidene Streifen nicht übersehen wurde. Außerdem machen Sie sich selbst was vor, wenn Sie behaupten, von den tollen schauspielerischen Leistungen, die hier zu bewundern waren, nicht zutiefst berührt gewesen zu sein.
Der einzige Film auf der Liste, über den man vermutlich in zehn Jahren noch reden wird, ist soviel besser als die anderen Nominierten, dass er aus der Wahlprozedur eine Farce macht. Kühn, kompromisslos, und sofort die Aufmerksamkeit fesselnd, ist er im Vergleich mit den anderen im wahrsten Sinne des Wortes „Citizen Kane“.
Und dennoch lässt sich „The Social Network“ in einem einzigen .gif zusammenfassen:
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