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Briefe an Julia (Review)

Montag, 23. August 2010

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Keine Liebe für diese Julia

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Originaltitel: Letters to Juliet
Herstellungsland: USA 2010
Regie: Gary Winick
Drehbuch: Jose Rivera, Tim Sullivan
Darsteller: Amanda Seyfried, Marcia DeBonis, Gael Garcia Bernal, Giordano Formenti, Paolo Arvedi, Dario Conti, Luisa Ranieri, Vanessa Redgrave, Christopher Egan, Franco Nero, Oliver Platt

Können sie sich an einen dieser Werbespots erinnern, in denen ein junges Pärchen irgendwo in einem Park sehnsüchtig einem älteren Paar nachsieht, das an ihnen vorbeigeht? Jemand hat aus genau dieser Szene einen ganzen Spielfilm gemacht – und eine ordentliche Portion „Unter der Sonne der Toskana“ dazugetan, nur um ganz sicher zu gehen -, doch was in einem 30-Sekunden-Clip berührend sein mag, wird zur Tortur, wenn es 105 Minuten dauert.

Das ist nicht ganz fair. Man muss nicht ein 13 Jahre alter romantiker mit einem Tapioka-Hirn sein, um „Briefe an Julia“ zu mögen, aber es würde helfen.

„Briefe an Julia“ ist der zweite Herz-Schmerz-Streifen innerhalb weniger Monate, in dem Amanda Seyfried („Das Leuchten der Stille“) die Hauptrolle spielt, jene Naive, die zum neuen Nachwuchsstar erklärt wurde. Ehrlich, an „Briefe an Julia“ ist nichts verkehrt, was eine bessere, tiefgründigere Schauspielerin nicht hinbiegen würde. (Und ein Drehbuch. Ein Drehbuch wäre nett.) Mit ihrem platinblonden Wasserfall von Haaren und den Tweety-Bird-Augen bietet Seyfried eine Vision jugendlicher Unschuld, die sich in dem Moment verflüchtigt, da sie den Mund aufmacht und ihren Text mit der emotionslosen Stimme einer Wetteransagerin zum Besten gibt.

Sie spielt Sophie, eine junge Frau, die bei einer fadenscheinigen Hollywoodversion von The New Yorker Fakten überprüft (Oliver Platt ist ihr kritischer Chef) und mit ihrem verlobten eine Vor-Hochzeitsreise nach Verona unternimmt, wo sie prompt von einer interessanten Story abgelenkt wird. Angezogen von den Mitteilungen, die einsame Herzen an der Wand des Innenhofes der Casa di Giulietta - angeblich das Wohnhaus der echten Julia Capulet aus Shakespeares „Romeo und Julia“ – anbringen, entdeckt Sophie einen 50 Jahre alten Brief hinter einem Ziegelstein und entschließt sich, ihn zu beantworten.

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Besagter Brief wurde von einer jungen Engländerin namens Claire geschrieben, die todunglücklich war, weil sie ihre einzig wahre Liebe, einen Italiener, verlassen musste. Als sie Sophias Antwort erhält, fällt Claire in de Person von Vanessa Redgrave in Verona ein. Die große englische Schauspielerin strahlt so viel Anmut, Talent und Klasse aus, dass Seyfried sofort zur winzigen Schauspielschülerin degradiert wird. Wirklich, der Film erholt sich davon bis zum Ende nicht.

Claire hat ihren skeptischen Enkelsohn Charlie (Christopher Egan) mitgebracht, und zu dritt durchstreift man auf der Suche nach ihrer verlorenen Liebe, einem gewissen Lorenzo Bartolini, die Toskana. Es stellt sich heraus, dass es in der Gegend viele Lorenzo Bartolini gibt; der beste Gag des Films besteht darin, dass jeder von ihnen nur allzu gerne bereit ist, mit Claire dort weiterzumachen, wo er nie angefangen hat.

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Sophie und Charlie hassen einander selbstverständlich, was nur bedeuten kann, dass sie einander eigentlich lieben. „Briefe an Julia“ rattert auf den Schienen der für romantische Komödien so typischen Gefühlsverwirrung mit wild entschlossener Vorhersehbarkeit dahin: Der Mond ist immer voll und die italienischen Schauplätze sind hinreißend – oder sie wären es, wären sie nicht so übertrieben ausgeleuchtet wie ein Trattoria-Poster. Aber wahrscheinlich ist es falsch, europäische Nuanciertheit von einem Film zu verlangen, der mit einem Song von Taylor Swift endet.

Das wesentlich größere Problem ist, dass die zentralen Figuren schlicht und ergreifend langweilig sind. Egans Charlie ist ein hölzerner Engländer und Sophie ist eine linkische, zu wenig charakterisierte Figur, die höchstens eine Anne Hathaway hätte ausgestalten können (vielleicht, vielleicht). Wenn Claire ihren Enkelsohn fragt: „Was glaubst Du, wie viele Sophies gibt es wohl auf dieser Welt?“, dann fällt es einem schwer, nicht zu denken: So um die 6 Millionen allein an der amerikanischen Ostküste. Deshalb wird der Film wahrscheinlich auch einiges an Geld einspielen.

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Zu der generell absurden Atmosphäre trägt nicht unwesentlich bei, dass der Verlobte - ein reizbarer, egozentrischer Koch namens Victor – von dem mexikanischen Schönling Gael Garcia Bernal gespielt wird. Wir sollen also allen Ernstes glauben, dass eine geistig gesunde Frau diesen Mann für einen Langweiler wie Egan verlassen würde?! Victor liebt Wein, Käse, Trüffel, das Leben – und dafür wird er von dem Film bestraft.

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Das Publikum bestraft er mit Dialogen, bei denen jeder Nicholas-Sparks-Fan zusammenzucken würde („Wenn wir von der Liebe reden, ist es nie zu spät…“) und Gary Winicks mechanischer, einfallsloser Regie. Gegen Ende gibt es die Wiedervereinigung von Redgrave und Franco Nero, dem Lancelot zu ihrer Guinevere aus „Camelot“ (1967), und die Leichtigkeit, mit der die beiden reife Leidenschaft darstellen, ist wirklich berührend. Wenn sich denn der Film dafür interessierte. „Briefe für Julia“ liefert den Beweis dafür, dass selbst langweilige junge Trottel Liebe verdienen. Für alle anderen gibt es immer noch die Toskana.

Fazit: Einer der langweiligsten Filme des Jahres. Da sehnt man sich fast nach einem Rosamunde-Pilcher-Fernsehfilm. Männer und überhaupt alle, die nicht frisch verliebt sind, sollten einen Riesenbogen um diesen misslungenen Kitsch machen.

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