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10 Gründe, warum Inception nicht so gut ist, wie viele behaupten

Donnerstag, 5. August 2010

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Trotz meiner nicht sonderlich enthusiastischen ersten Reaktion auf „Inception“ habe ich mir die Zeit genommen, den von so vielen hochgelobten Streifen noch einmal in aller Ruhe anzusehen, weil: a) nicht viel anderes im Kino lief und b) ich mich vergewissern wollte, dass Christopher Nolans achtes Werk definitiv kein Meisterwerk ist.

Und es ist keines. Sicher, „Inception“ ist das visuell beeindruckendste Spektakel, das ich in diesem Jahr gesehen habe, und die letzte Stunde ist äußerst gelungen, aber es gibt doch auch einige störende Dinge, die dafür sorgen, dass der Film nicht das Magnum Opus ist, zu dem ihn manche (Christopher Nolan eingeschlossen) erklären wollen. Genau genommen handelt es sich um 10 Dinge.

1. Die erste Hälfte ist todlangweilig

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Wenn der Abspann läuft und die Lichter angehen, ist man versucht, „Inception“ gegenüber besonders großzügig zu sein. Immerhin macht es einem eine letzte Stunde vollgepackt mit spektakulärer Action sehr leicht, all das zu vergessen, was davor kam: 90 Minuten des banalsten Schwachsinns, den man sich nur vorstellen kann.

Man lässt furchtbare, furchtbare Dialoge über sich ergehen, von denen die meisten auf Ken Watanabe entfallen (hat sich der gute Mann etwas zuschulden kommen lassen?), erduldet eine scheinbar endlose Parade verrückter computergenerierter Architektur und kann sich irgendwie des Gefühls nicht erwehren, dass man die ganze Zeit auf den Beginn des Hauptfilmes wartet.

2. Irgendjemand hat Christopher Nolan in den Erklärungsmodus versetzt

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Christopher Nolan zählt nicht zu den Filmemachern, die auf Mehrdeutigkeit versessen sind. Zumeist gereicht das seinen Filmen zum Vorteil: ein Film wie „Prestige – Die Meister der Magie“ hätte sehr leicht auf irritierende Weise unschlüssig wirken können, hätte er nicht so streng auf die Logik geachtet. Dasselbe kann jedoch nicht von „Inception“ gesagt werden, denn 50% des Filmes könnte man durch eine Einstellung ersetzen, in der Nolan in die Kamera blickt und den Plot erklärt.

Einige Kritiker haben den Film mit „Mullholland Drive“ verglichen, aber während David Lynchs Streifen durch das Vorenthalten jedweder Eindeutigkeit oder Erklärung mühelos fasziniert, hat Nolan nicht annähernd so viel Vertrauen zu seinem Publikum.

Deshalb führte er Ariadne ein, eine Figur die so offensichtlich „für das Publikum sprechen“ soll, dass Herr Nolan gut daran getan hätte, statt Ellen Page einen richtigen Spiegel zu engagieren. Es ist ziemlich schockierend, in einem Film, der weithin als Meisterwerk gehandelt wird, mit so einer linkischen, durchschaubaren Exposition konfrontiert zu werden. Könnte man dem Film nicht folgen ohne diese ständigen Fragen von Ariadne, was denn nun gerade geschieht??

3. Es gibt keine Charaktere

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Ich gebe nur allzu gerne zu, dass „Inception“ mit einem der interessantesten Ensembles des Jahres 2010 aufwartet. Leo, Joseph, Ellen, Cillian und Marion stehen gemeinsam für so ziemlich alles, was es derzeit an Positivem in Hollywood gibt, und ich erwartete mir von ihnen allen herausragende darstellerische Leistungen. Stattdessen erscheint jeder Charakter in Nolans ausschließlich auf den Plot fixiertem Film zu einem hohlen Archetyp reduziert. Mehrere von ihnen scheinen sogar derselbe Archetyp zu sein.

Selbst DiCaprios Cobb, der einzige Charakter, der wenigstens ein bisschen emotionale Tiefe aufweist, hat nur einen einzigen Charakterfehler, und selbst der wird innerhalb von fünf Minuten nach dem Auftauchen von Ariadne der großen Erklärerin enthüllt, definiert und beseitigt.

4. Der Subplot mit der toten Ehefrau funktioniert nicht

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„Inception“ ist der zweite Film hintereinander, in dem wir Leonardo DiCaprios Verkörperung eines verwitweten Mannes zu sehen bekommen, der versucht, sich in eine Welt der Selbsttäuschung und Halluzination zu flüchten. Die unvermeidlichen Vergleiche mit Martin Scorseses „Shutter Island“ fallen für „Inception“ unglücklicherweise immer wenig schmeichelhaft aus.

Nolan scheint sich bewusst zu sein, dass Emotionen nicht gerade zu seinen Stärken zählen, weshalb er verzweifelt an bombastischer Musik, unnötigen Kommentaren aus dem Off und bedeutsamem Symbolismus auffährt, was er nur finden kann, womit er Leonardo DiCaprio und Marion Cotillard wahrlich einen Bärendienst erweist, denn die beiden spielen in ihren gemeinsamen Szenen groß auf - was das Publikum jedoch kaum bemerken dürfte.

Wie gar nicht so wenige Kritiker bereits bemerkt haben, wirkt der plötzliche Wechsel im Ton, durch den diese Szenen auffallen, so, als wäre das Räderwerk des Filmes unvermittelt zum Stillstand gekommen – gezwungen, sich durch die Liebesgeschichte zu schleppen bis er wieder in sein gewohntes Territorium der sich verbiegenden Häuser und teuren Anzüge zurückspringen darf.

5. „Inception“ ist zu sehr in sich selbst verliebt

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„Inception“ ist mit Sicherheit ein wunderschöner Film. Seine visuellen Effekte, von denen viele direkt in der Kamera gemacht wurden, sind oftmals erstaunlich und sehr originell. Aber nach einer Weile macht das Ganze eher den Eindruck eines dieser Effekt-Demos, die mitunter auf Twitter kursieren.

Die Szene, in der Arthur Ariadne das unendliche Stiegenhaus zeigt, ist ein besonders krasses Beispiel für Nolans Bedürfnis, allen zu zeigen, wie clever er ist, auch wenn sie zwei Stunden später durch ein sinnloses Wiederauftauchen in der Hotel-Welt „gerechtfertigt“ erscheint.

6. Alles ist eine verdammte Montage

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Eines der besten Dinge an „The Dark Knight“ - und an allen von Nolans Filmen – ist der gezielte Einsatz von Parallelmontagen (Cross-cutting). Was auch immer Sie von dem genannten Film halten mögen, sie werden zugeben müssen, dass die Szene, in der der Joker die verschiedenen Mordanschläge koordiniert, genial aufbereitet ist.

Unglücklicherweise scheint sich Nolan das Lob für diesen Film allzu sehr zu Herzen genommen zu haben, weshalb er so in „Inception“ vom Cross-cutting so exzessiven Gebrauch macht, dass der ganze Film wie eine einzige lange Montage wirkt. Fast jede Szene vermengt sich irgendwie mit der nächsten und es ist ganz und gar nicht hilfreich, dass Hans Zimmers Musik eine nicht enden wollende Mauer ununterbrochener Spannung ist. Ermüdend.

7. Dem Film fehlt jeder Humor

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Christopher Nolan ist nicht gerade dafür bekannt, für große Lacher sorgen zu können, aber es ist nicht so sehr der Mangel an humoriger Auflockerung der „Inception“ schadet, sondern vielmehr die Schwerfälligkeit jener Momente, in denen er sich entscheidet, ein bisschen etwas Lustiges einfließen zu lassen.

Erinnern Sie sich an den Moment in „The Dark Knight“, als von der Action der Verfolgung in der Unterführung plötzlich zu den beiden Jugendlichen geschnitten wird, die im Auto sitzen und so tun, als würden sie auf etwas schießen? Er sticht heraus, denn der kitschige Sommer-Blockbuster-Humor passt so gar nicht zu Nolans todernster Grundeinstellung.

„Inception“ ist dieser Moment ausgedehnt auf Spielfilmlänge (und noch ein wenig länger), wobei jeder „Witz“ vom Unverständnis des Regisseurs für das komödiantische Fach untergraben wird. Die „Ich habe die Fluglinie gekauft“-Szene ist ein hervorragendes Beispiel für einen einfachen Gag, der sehr, sehr schlecht umgesetzt wurde.

8. Die Aspekte, die dafür sorgen könnten, dass der Film funktioniert, werden ignoriert

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Im Grunde handelt „Inception“ von einer Mission, deren Ziel es ist, eine Idee in den Kopf von Robert Fischer, dem Erben eines Großunternehmens, zu pflanzen. Diese Idee, hoffen wir, wird ihn dazu ermutigen, das Unternehmen aufzulösen, sobald er es erbt.

Selbst wenn man eine gute Stunde darauf verwendet, all die mentale CGI-Zauberei abzuhandeln, die man plant, sollte es dennoch selbstverständlich sein, dass man auch die moralischen Aspekte eines solchen Unterfangens zur Sprache bringt.

Ich würde normalerweise nicht darauf bestehen, dass sich ein Film mit moralischen Fragen befassen muss, aber es ist nun einmal so, dass „Inception“ keine bewusste Entscheidung trifft, diese Fragen nicht anzusprechen; der Streifen weicht ihnen auf zynische Weise mit einigen wenigen abschätzigen Zeilen Dialog aus. Können Sie sich an die Szene im Lieferwagen erinnern, wo einer der Charaktere sagt: „Wir bringen [Fischers] Verhältnis zu seinem Vater wieder in Ordnung, er sollte uns bezahlen“ (oder so ähnlich)?

Auf so komplexe Weise geht „Inception“ mit dem Thema Moral um.

9. Der Film ist völlig anders als die richtige Traumerfahrung

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So verblüffend sich verbiegende Häuser und Penrose-Stiegen auch sein mögen, sie haben nicht das Geringste mit echten Träumen zu tun. In Träumen sind die Personen und Situationen verwirrend, befremdlich und bizarr, nicht nur die Architektur. Im Film sind Cobb & Co in ihren Träumen genau dieselben. Sie kleiden sich elegant, handeln effizient und haben immer Zeit, einige witzige Sprüche abzusondern.

Und ehe Sie Nolan mit dem Argument verteidigen, er hätte das ganze so machen müssen, damit der Plot funktioniert oder was auch immer, überlegen Sie bitte, wie toll ein Film wäre, der das tatsächliche Gefühl des Träumens heraufbeschwört.

10. Das Ende passt nicht zum Rest des Films

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„Inception“ wartet mit einem gelungenen Ende auf, von dem nur wenige enttäuscht sein werden, aber es gehört zu einem anderen Film. Als Abschluss ist es im Prinzip die Antithese von allem, was davor kam: Ein plötzlicher Schuss Mehrdeutigkeit in einem Film, der gerade mehr als zwei Stunden damit verbracht hat, sicherzustellen, das jedes noch so kleine Detail zu Tode erklärt wird.

Es ist so, als würde man das Ende von „Das weiße Band“ zu „Ocean´s Eleven“ hinzufügen.

3 Kommentare

Aurell hat gesagt…

zu 3 es sind soziemlich alles versch. Charaktere wer den Unterschied nicht sieht..tja
zu 6 gerade wegen der ganzen Montagen hat man den Film nicht blöd einfach hingenommen sondern musste während man noch im Kino saß nachdennken zb. so wo sind wa jetz, wo war daws noch mal ect.
zu 7 es gibt ne Menge witziger Sprüche, Passagen, Situationen und ect. die nur keiner wieder mal sieht bzw. hört, gar aus Selbst erfahrung denn noch im Kino sitzend und lachend und verwundert darüber, dass sonst aber Stille herrscht....zeugt doch wieder von Stumpfheit der Leute die sowas wie stirb langsam gewohnt sind
zu 9 wenn du hier aus eigener Erfahrung sprichst, selber schuld! es gibt sehr wohl ziemlich viele Menschen die aktiv im Traum sind, bzw realisieren dass sie gerade träumen. die besagten Personen können in deren Träumen alles! machen. Kleidung,Aussehen und auch die Physik steuern, daher ist Punkt 9 für mich kompletter Unfug!

29. August 2010 um 00:03
Anonym hat gesagt…

„Die Aspekte, die dafür sorgen könnten, dass der Film funktioniert, werden ignoriert“

Hier wurde mir alles klar, der Autor weiß aus seinen Lehrbüchern offensichtlich besser als alle anderen wie Filme zu „funktionieren“ haben, wie im Drama geschnitten wird und was an welcher Stelle passieren muss. Ein Gedicht braucht schließlich auch 3 Metaphern, 2 Neologismen und 4,5 Ellipsen bis man es als gut bezeichnen kann.
Dem Autor missfällt, dass der Film trotz „zu viel“ cross-cutting seine Wirkung nicht verfehlt, dass der Zuschauer, auch wenn er nicht genau 15% des Filmes Zeitraum für Gelächter erhält, nicht depressiv, sondern emotional mitgerissen und zum nachdenken angeregt den Saal verlässt.
Was fällt dem Regisseur ein in einem Film, der im Grunde versucht sich selbst zu erklären und damit eindeutig ist am Ende plötzlich Freiraum zur Interpretation zu lassen, wo dies doch im Lehrbuch aller Filmemacher strikt untersagt ist.

„Inception wartet mit einem gelungenen Ende auf, von dem nur wenige enttäuscht sein werden, aber es gehört zu einem anderen Film.“ - Dieser Satz sagt mir, dass das gemeine Volk das Ende des Filmes für ein gutes halten wird, weil es zu blöd ist zu sehen, dass es nicht zum Rest des Filmes passt. Nun – es kann sein, dass ich nicht intelligent genug bin um den von Nolan gewählten Schluss schlecht zu finden. Aber ist es nicht vernünftiger ein Ende „von dem nur wenige enttäucht sein werden“ als ein gutes zu akzeptieren? Ich halte Ihre sogenannten „Gründe“ Inception herabzusetzen für falsch, weil davon ausgegangen wird man könne Kunst anhand von Daten und Fakten bewerten.
Klar sollte sein, das Kunst subjektiv ist und ihre Bewertung nur über die Wirkung, die sie auf ihren Betrachter hat, durchgeführt werden kann.

Ich persönlich halte Inception für einen brillanten Film, er hat seine mitreißende und zum Nachdenken anregende Wirkung bei mir nicht verfehlt. Die Tatsache, dass am Ende des Filmes Informationen vermittelt werden, die den.. „totlangweiligen“ Anfang erst völlig verständlich machen (normalerweise sollte man zu sehr damit beschäftigt sein nachzudenken und die Verwirrung in Grenzen zu halten, als dass man die Gelegenheit bekommt sich zu langweilen), macht den Streifen auch ein zweites und drittes mal noch absolut sehenswert.

"10 Gründe, warum Inception nicht so gut ist, wie viele behaupten“ hätte der Autor auch auf einen Grund beschränken können: Weil man dabei sein Hirn anstrengen muss. - Das scheint mir seiner Argumentation äußerst angemessen.

18. Dezember 2010 um 17:27
Anonym hat gesagt…

Meiner Meinung nach hast du keine Ahnung von dem du schreibst. ;)


achja, btw, in diesem Film geht es um LUZIDE TRÄUME! In diesen Träumen, kann man sich den Traum so gestalten wie man möchte. Man muss es nur lernen. Ich würd nicht so voreilig urteilen und mich über dieses wirkliche Meisterwerk auslassen, ohne Bescheid zu wissen.
Dieser Film ist keine Komödie, ich finde alles passt. Einer der besten Filme, dich ich gesehen habe.
Ich gebe meinen Vorrednern in jedem Punkt Recht.

25. März 2011 um 22:25

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