Originaltitel: Nine
Herstellungsland: USA 2009
Regie: Rob Marshall
Drehbuch: Michael Tolkin, Anthony Minghella, basierend auf dem Brodway-Musical “Nine” von Arthur Kopit und Maury Yeston
Darsteller: Daniel Day-Lewis, Marion Cotillard, Penelope Cruz, Nicole Kidman, Judi Dench, Kate Hudson, Sophia Loren, Stacy Ferguson
„Nine“ hüpft auf die Leinwände als glitzernde, leuchtende Spielerei filmischer Selbstbeweihräucherung und Mythologisierung und bittet so inständig darum, geliebt zu werden, dass man als Zuschauer peinlich berührt die Flucht ergreift. Rob Marshalls verkrampfte und hektische Adaption des Broadway-Musicals – das wiederum die Adaption eines Filmklassikers war – leidet unter all den Verzerrungen, die seine Spiegelkabinett-Herkunft erwarten lässt. „Nine“ ist ein Film im Film über einen Film im Film und scheint mit jeder Wiederholung ganze Schichten von Authentizität zu verlieren, was dem Publikum ein ziemlich befremdliches Kinoerlebnis beschert.
„Nine“ handelt von Guido Contini (Daniel Day-Lewis), einem legendären italienischen Filmemacher, der im Jahre 1965, kurz vor dem beginn der Dreharbeiten zu seinem neuesten Werk, in eine Schaffenskrise gerät. Seine Gedanken kreisen nur noch um die Frauen in seinem Leben, Madonnen wie Huren. Ein unverzeihlicher Fehler von „Nine“ ist, dass der Film die Zuschauer auf fast unerträglich fröhliche Weise einlädt, sich mit einem Protagonisten zu identifizieren, dessen Unsicherheit, Selbstsucht und alles erdrückendes Ego sie für künstlerisches Genie halten sollen.
Guido wurde selbstverständlich von Federico Fellini für seinen Film „8 1/2“ (1963) erdacht, eine semi-autobiographische Träumerei über Kunst, Sex, Besessenheit und Vergebung. Aber die Charaktere und das Material, die unter Fellinis meisterhafter Regie zu einer feinfühligen und humorvollen Meditation gerieten, verkommen in „Nine“ zu einer bedeutungslosen, selbstverliebten Stilübung, die von Rob Marshall zu einem nahezu unverständlichen Schaum geschlagen wird.
So ziemlich das einzige, was für „Nine“ spricht, ist die tolle Besetzung mit Nicole Kidman, Penelope Cruz, Marion Cotillard und Kate Hudson, die allesamt zu den aktuell heißesten Filmschauspielerinnen zählen. Judi Dench und Sophia Loren wirken mit, um dem Streifen künstlerischen Anspruch zu verleihen, dazu kommt noch Fergie, die Pop-Berühmtheit, die als Prostituierte aus Guidos Vergangenheit eine höchst erotische Einlage bietet. All diese Damen bemühen sich nach Kräften, den Tanz- und Gesangseinlagen den nötigen Pep zu verleihen, doch die Auszeichnung für die laszivste Darstellung gebührt eindeutig Penelope Cruz, die in der Rolle von Guidos Geliebter eine Ode auf die Fleischeslust singt und sich dabei um zwei Seile windet, die ihre als Ersatz für eine Stripperstange dienen.
Jede der Darstellerinnen erhält ihren Moment im Rampenlicht, doch leider ohne Unterstützung durch die Musik. Die Lieder sind an Bedeutungslosigkeit und Beliebigkeit kaum zu überbieten. Schon in „Chicago“ und „Dreamgirls“ hat Rob Marshall durch hektische Schnitte die gelungenen Choreographien zunichte gemacht und damit unter Beweis gestellt, dass er nicht weiß, wie man Tänzer filmt. Dies ist nicht MTV, sondern großes Kino – der Zuschauer sollte die ausgefeilten Bewegungsabläufe in vollem Umfang und vor allem in Ruhe genießen können. Zugegeben, in „Nine“ stören Marshalls hektische Schnitte nicht so sehr, da die Schauspielerinnen hier kaum tanzen, sondern sich eher rhythmisch winden, stampfen und posieren. (In der Serie „Glee“ würde man das wohl „Hairographie“ nennen.)
Daniel Day-Lewis´ Singstimme ist bestenfalls unauffällig, aber seine tiefere, seidige Sprechstimme ist auf verführerische Weise musikalisch; dennoch gelingt es ihm nicht, Interesse für die Figur des Künstlers als wutschnaubender – und in die Jahre gekommener – Narziss zu wecken. Von all seinen wunderschönen Co-Stars weiß nur Cotillard als Guidos leidende Ehefrau ansatzweise zu überzeugen.
Ihre Auftritte verlangsamen das hektische Tempo des Filmes etwas und laden die Zuschauer dazu ein, für einen flüchtigen Moment über die Verletzlichkeit der menschlichen Seele nachzudenken. Der Rest von „Nine“ ist überladen und verrückt und letztendlich geschmäcklerisch. Der Film setzt auf die Strahlkraft der Stars und mehr oder weniger aufreizende Kostüme und Verrenkungen und ist wenig mehr als Flickwerk.
Ein Vorschlag: Wenn Sie sich wirklich gut unterhalten möchten, dann sollten Sie die nächste Videothek aufsuchen und sich „8 1/2“ sowie „All That Jazz“ ausleihen. „Nine“ bedient sich bei beiden, doch leider ohne sichtbaren Erfolg.
Fazit: „Nine“ funktioniert weder als Musical noch als Film. Die Darstellerinnen sind attraktiv, haben aber wenig, womit sie arbeiten könnten. Was eine großartige Charakterstudie mit Musik hätte werden können, verkommt zu einer seichten Operette, die außer opulenter Ausstattung und Damen in erotisch knappen Kostümen wenig zu bieten hat. Künstlerisch ein Flop, hoffentlich auch an der Kinokasse.