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Humpday (Review)

Sonntag, 12. September 2010

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Ben und Andrew drehen einen Porno

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Originaltitel: Humpday
Herstellungsland: USA 2009
Regie: Lynn Shelton
Drehbuch: Lynn Shelton
Darsteller: Mark Duplass, Alycia Delmore, Joshua Leonard, Lynn Shelton, Trina Willard

Ich glaube, sie kennen das schon. Zwei Freunde fordern einander heraus, einen Amateurporno zu drehen und vor der Kamera miteinander Sex zu haben, nur um dann im Augenblick der Wahrheit zu versuchen, davon Abstand zu nehmen, ohne wie Feiglinge dazustehen. „Zack and Miri Make a Porno“ aus dem Vorjahr hatte genau denselben Plot und war mehr oder weniger Mainstream: beliebte Darsteller, ein bekannter Regisseur, professionelle Kameraarbeit, ein Drehbuch. „Humpday“, ein Streifen, der 2009 in Sundance für einiges Aufsehen sorgte, ist die „Mumblecore“-Version.

Ich weiß. ich weiß, die Filmemacher, die unter diesem von den Medien kreierten Label zusammengefasst werden – Andrew Bujalski („Funny Ha Ha“), Mark und Jay Duplass („Baghead“), Joe Swanberg („Hannah Takes The Stairs“), Lynn Shelton (Regisseurin dieses Filmes) -, hassen den Terminus „Mumblecore“. Aber er haftet ihnen an, weil er nützlich ist und sehr treffend die überraschend strikte naturalistische Ästhetik und die damit einhergehende entspannte Herangehensweise beschreibt. Mumblecore wirft so grässliche Einfälle der Mittelschicht wie ruhige Kameraführung und Soundtrack-Musik über Bord und imitiert stattdessen die Rhythmen des „echten Lebens“, wie es von redseligen, selbstsüchtigen weißen Menschen in ihren Zwanzigern geführt wird. Die Charaktere in diesen Filmen könnten Woody Allens faule Kinder sein, und dreißig Jahre später sind sie der Erleuchtung nicht näher, als er es seinerzeit war. Das ist der Witz an der Sache, aber er wird langsam fad.

Nachdem diese Bewegung eine Reihe von Beziehungsdramen und sogar einen Slasher-Horrorfilm (den bereits erwähnten „Baghead“) hervorgebracht hat, war es nun scheinbar an der Zeit, einen Film über Sex zu machen. Man kann ihn getrost „Mumbleporn“ nennen.

Selbstverständlich ist „Humpday“ kein Film über Sex, sondern viel mehr ein Film über das Reden über Sex,. (Das ist allen „Mumblern“ gemein, sie lieben es, über alles und jedes zu reden und zu reden und zu re… Üblicherweise während sie auf Couches sitzen.) Jeder, der in Erwartung geiler Bilder eine Karte für diesen Streifen erwirbt, wird enttäuscht werden.

Tatsächlich werden viele von „Humpday“ enttäuscht sein.

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Die Handlung des Filmes spielt in Seattle, wo Ben (Mark Duplass) und Anna (Alycia Delmore) leben und, möglicherweise zu angestrengt, versuchen, ein Baby zu bekommen. Herein hüpft Andrew (Joshua Leonard), Bens alter Collegekumpel, ein von sich selbst sehr eingenommener Bohemien, der als Rucksacktourist die Dritte Welt bereist und dabei Kunst macht.

Andrew hält Ben natürlich für einen langweiligen Typen, der für ein Haus mit Garten und weißem Zaun drum herum seine Seele verkauft hat. Und obwohl Ben heftig gegen diese Einschätzung protestiert, wird sehr schnell klar, dass er ihr sie im Innersten zumindest ansatzweise teilt. Der scheinbar so freigeistige und freizügige Freund flößt ihm gehörigen Respekt ein.

Bald versuchen die beiden Männer, einander an Zügellosigkeiten zu überbieten, und so kommt es, wie es kommen muss. Auf einer Soiree, die von einem kunstbegeisterten lesbischen Paar (eigentlich handelt es sich bei ihnen um Omnisexuelle) veranstaltet wird, erklären sich Ben und Andrew bereit, an einem lokalen Kunst-Porno-Wettbewerb unter dem Titel „Humpfest“ teilzunehmen, und zwar mit einer Idee, die sie für revolutionär halten: Zwei heterosexuelle Männer, die miteinander Sex haben. Natürlich wollen sie das ganze nicht wirklich durchziehen, sondern sehen es nur als eine weitere Herausforderung an: Wer zu erst aussteigt, hat verloren.

Es ist ein bizarrer Auswuchs des typisch männlichen Bedürfnisses, immer um eine Spur besser sein zu müssen als der andere: zu beweisen, was für ein toller Kerl man ist, indem man mit einem anderen Mann Sex hat. Und wäre diese Geschichte von einem echten, talentierten Drehbuchautor geschrieben worden, hätte ein extrem komplexer und verstörender Film herauskommen können. (Das Thema wäre perfekt für einen Neil LaBute.)

Stattdessen wurde das Skript von den Darstellern entwickelt. Es wurde auf eine Weise inszeniert, die zu ständigem Improvisieren ermutigte. Das Resultat ist, dass das Drehbuch wie ein Entwurf wirkt und der Film wie eine Probe aussieht.

Die Performances wirken zugegebenermaßen sehr real. Duplass (einer der wichtigsten „Mumbelcore“-Regisseure) fühlt sich sichtlich wohl in der Rolle des leicht beeinflussbaren Ben. Leonard (bekannt aus „Blair Witch Poroject“, rückblickend vielleicht der prototypische Mumblecore-Film) ist gleichfalls sehr überzeugend als der ständig umherstreifende Andrew.

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Aber der Zuschauer begreift sehr bald, dass Ben und Andrew zwei sich selbst täuschende Arschlöcher sind. Es mag zwar für Duplass und Leonard als Schauspieler recht interessant und sogar lustig gewesen sein, diesen Aspekt der Figuren zu „erforschen“, im Publikum kommt jedoch rasch Langeweile auf.

Es ist auch nicht sehr hilfreich, dass man mitunter das Gefühl hat, das Ganze durch die ungewaschene Windschutzscheibe eines fahrenden Autos zu betrachten.

Dazu gibt es sinnlose Jump Cuts und einige Szenen, in denen Bild und Ton nicht synchron sind; der Kameramann scheint bisweilen die Gesichter der Schauspieler zu suchen, leider erfolglos, und die Musik klingt, als wäre sie in einem Aufzugschacht aufgenommen worden.

Die beiden Hauptdarsteller bemühen sich redlich, sich nicht anmerken zu lassen, welche Mühe sie sich geben. Das schnörkellose Spiel von Alycia Delmore, die Bens mehr als nur geduldige Ehefrau gibt, ist da eine willkommene Abwechslung. Regisseurin Lynn Shelton versteht es, das Wechselspiel von Verlegenheit und Begehren, Stolz und Scheu einzufangen.

Aber wer möchte schon eineinhalb Stunden mit diesen übergroßen Jugendlichen verbringen, die sich (im wahrsten Sinne des Wortes) wie kämpfende Gorillas auf die Brust trommeln? Wer möchte auch nur versuchsweise daran denken, den beiden dabei zuzusehen, wie sie miteinander schlafen?

„Eines geht mir gerade auf“, sagt Ben gegen Ende. „Ich denke, wir sind möglicherweise Trottel“. Denkst Du?

Fazit: Glaubwürdige Charaktere in einer Geschichte, die zwar vom Ansatz her interessant ist, aber unter dem Fehlen eines ordentlichen Drehbuchs arg leidet und mit zunehmender Dauer langweilig wird. Ein Film für Leute, die einmal etwas „Anderes“ sehen möchten.

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