Polizisten und Räuber, mit Herz und Würde erzählt
Originaltitel: The Town
Herstellungsland: USA 2010
Regie: Ben Affleck
Drehbuch: Peter Craig, Ben Affleck, Aaron Stockard, basierend auf dem Roman „Prince of Thieves“ von Chuck Hogan
Darsteller: Ben Affleck, Rebecca Hall, Jon Hamm, Jeremy Renner, Blake Lively, Slaine, Owen Burke, Titus Welliver, Pete Postlethwaite, Chris Cooper, Corena Chase
Der Titel „The Town“ steht für Charlestown, eine großteils von irisch-stämmigen Arbeitern bewohnte Vorstadt von Boston, in der Raub das vorherrschende „Familiengeschäft“ ist.
Und wie es sich gehört, steigen viele Kinder in das Geschäft der Väter ein.
Schließlich erlernt man in Charlestown die nötigen Fertigkeiten schon sehr früh: Autos kurzschließen, in Tresorräume einzudringen, gepanzerte Geldtransporter zu überfallen und den Mund zu halten, wenn man geschnappt wird.
Kurz gesagt, ein Räuber zu sein – wie der liebe alte Vater.
Das ist der Hintergrund, vor dem „The Town“ spielt, ein solider Kriminalthriller des aus Boston stammenden Ben Affleck, der mit „Good Will Hunting“ bewies, dass er schreiben kann, und mit „Gone Baby Gone“ demonstrierte, dass er ein gar nicht so schlechter Regisseur ist.
Wenn man ortsansässigen Kritikern glauben darf, dann zeichnet Affleck ein falsches Bild von Charlestown, er konstruiert eine Art Film-Boston, denn die Gegend wurde in den letzten zehn Jahren aufgewertet und ist nun eine Yuppie-Hochburg, und, egal was „The Departed“ behaupten mag, die irische Mafia ist auf dem absteigenden Ast. Aber in „The Town“ sie ist sehr lebendig und geschäftig.
Das Drehbuch, das auf dem Roman „Prince of Thieves“ von Chuck Hogan basiert, erzählt von vier erfahrenen Räubern. Doug MacRay (Ben Affleck) ist das Hirn der Gruppe, aber dieses Lebens müde. Jem Coughlin (Jeremy Renner), sein bester Freund, ist ein unbeherrschter Gangster, der nur allzu gern zur Waffe greift.
Sie können sich sicherlich vorstellen, wie das ausgehen wird, oder nicht?
Nun, vielleicht nicht, denn der Film wartet mit einigen interessanten Wendungen und etlichen sehr soliden darstellerischen Leistungen auf. Als Regisseur ist Ben Affleck mit Sicherheit kein Michael Mann (und er ist vermutlich der erste, der das zugeben wird). Aber in seinen besten Momenten erinnert „The Town“ an „Heat“ - und schneidet bei dem Vergleich gar nicht so schlecht ab.
Wie Michael Manns grandioses Werk interessiert sich auch „The Town“ vor allem dafür, wie Männer bei einem komplizierten Raubzug zusammenarbeiten (und wie sie gegeneinander arbeiten, wenn die Vergangenheit oder Träume oder die Zukunft mitzuspielen beginnen). Wie im anderen, so kommt es auch in diesem Streifen am helllichten Tag zu einer wilden Schießerei in der Stadt.
Aber vor allem hat er ein paar großartige schauspielerische Leistungen zu bieten.
Eine davon geht auf das Konto von Jeremy Renner, dem verrückten Bombenentschärfer aus „The Hurt Locker“, der hier den Jem gibt, einen ebenso gefahrensüchtigen Typen. Eine weitere geht - vielleicht sollten Sie sich kurz hinsetzen – auf das Konto von Blake Lively, die die „Welt von „Gossip Girl“ hinter sich lässt und eine hurenhafte Süchtige spielt, die noch immer auf einem Barhocker darauf wartet, dass Doug vorbeischaut.
Das ist Afflecks Rolle und es ist eine gewollt leise – Doug soll hier der Coole sein. Affleck kriegt das recht gut hin. Und er ist gescheit genug, sich mit guten Schauspielern zu umgeben und sie dann arbeiten zu lassen - wie Rebecca Hall, die als terrorisierte Bankangestellte voll und ganz überzeugt.
„The Town“ scheint, ganz wie der französische Zweiteiler „Mesrine“, die Gauner lieber zu haben als die Polizisten. Die einzigen Gesetzeshüter, die wir näher kennenlernen, sind widerliche Typen; die übrigen bleiben namenlose Zielscheiben, bloße Unannehmlichkeiten, die von unseren Antihelden niedergemäht werden müssen.
Obwohl Doug Mittel und Wege finden mag, seine kriminelle Tätigkeit zu rechtfertigen, wäre es schön, wenn ihn der Film dabei nicht auch noch unterstützte.
Dennoch vermag „The Town“ als geradliniger Polizisten-und-Räuber-Film durchaus zu überzeugen.
Das Lokalkolorit ist klug gewählt und genau getroffen. Das Tempo stimmt und die Charaktere sind gut gezeichnet. Und obwohl er in den letzten Szenen ein wenig zu sehr Hollywood wird, verdient der finale Raubzug der Bande allein schon aufgrund der Kühnheit Bonuspunkte.
Aber Affleck – der sich wieder einmal neu erfindet - kennt sich ja in Sachen Kühnheit mittlerweile bestens aus.
Fazit: Zwar nicht so bestechend wie sein Regiedebüt, aber immer noch ein grundsolider und unterhaltsamer Thriller von Ben Affleck. Mit Sicherheit einer der besseren Filme des Jahres.
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