Originaltitel: The Book Of Eli
Herstellungsland: USA 2010
Regie: Albert Hughes, Allen Hughes
Drehbuch: Gary Whitta
Darsteller: Denzel Washington, Gary Oldman, Mila Kunis, Ray Stevenson, Jennifer Beals, Michael Gambon, Tom Waits, Frances de la Tour
„The Book Of Eli“ mutet fast wie der verlorene Bruder von „The Road“ an, mit doppelt soviel Handlung, viermal soviel Munition, aber leider nur halb soviel Verstand - weshalb der Film wohl zehnmal soviel Geld einspielen wird.
Die übertrieben Unheil verkündende Musik gleich zu Beginn hätte mir Warnung sein sollen, dass dies hier kein typischer post-apokalyptischer Science-Fiction-Film mit Martial-Arts-Einlagen ist. Der dümmliche Film, der da in schwerfälligem Tempo auf den Zuschauer zukommt und vorgibt, von spiritueller Bedeutung zu sein, könnte zum Todesstoß für die Karrieren der einst vielversprechenden Regiebrüder Albert und Allen Hughes werden.
Von der ersten Einstellung an ist zu merken, dass es hier um ernste Themen geht (oder gehen soll), denn Kameramann Don Burgess hat seine Farbpalette zu Hause gelassen – ganz dem aktuellen Trend entsprechend, wurden die Farben völlig ausgebleicht, sodass nur noch ein abweisendes und eintöniges Ödland übrig bleibt. Das ist optisch sogar recht ansprechend, wenn auch auf eine irgendwie krank wirkende Weise.
Denzel Washington schreitet als archetypischer Überlebender mit Namen Eli Walker durch den Film. Er wandelt in den Fußstapfen all derer, die vor ihm kamen – Will Smith in „I Am Legend“, Kevin Costner in „The Postman“, Mel Gibson in „Mad Max“, Daniel Day-Lewis in „Nine“ (Entschuldigung, bei letzterem handelt es sich um eine andere Art von Katastrophe). Außerdem hat er etwas von Clint Eastwoods „Mann ohne Namen“, und ein wenig Samurai-Gebaren ist auch noch mit dabei. In einer Sequenz ziemlich zu Beginn fällt eine Gruppe atavistischer Wegelagerer unter einer Überführung über Walker her. Die Unholde wollen Walker nicht nur ausrauben, sondern ihn auch noch verspeisen, ein Plan der furchtbar in die Hose geht. Die Kamera fährt zurück, und der Zuschauer sieht in einer wunderschönen Totale, in der nur die Silhouetten der Akteure auszumachen sind, wie er sich der Angreifer entledigt. Es ist eine beeindruckende Szene, fast so, als hätte sich Quentin Tarantino an einem Schattenspiel versucht.
Wäre dies alles, worum es in „The Book Of Eli“ geht, dann wäre der Film gute, wenn auch brutale Unterhaltung. Doch leider führt Eli Walker ein Buch mit sich, und es ist nicht irgendein Buch, sondern das BUCH DER BÜCHER, das letzte Exemplar der „King James Bible“. Alle anderen wurden bei Unruhen nach den Bombenabwürfen 30 Jahre zuvor vernichtet (und die Gideon-Bibeln und alle anderen Bibelausgeben dürften ihr Schicksal geteilt haben). Warum alle Bibeln zerstört wurden, aber Walkers iPod drei Jahrzehnte überdauert hat, dürfte wohl für alle Zeiten ein Rätsel bleiben; zumindest kann er so bei ein bisschen Al Green entspannen – und vielen ist das Religion genug.
Als Walker in eine Grenzstadt kommt, nimmt „The Book Of Eli“ eine interessante Wendung: Plötzlich befinden wir uns in einem post-nuklearen Western mit allen typischen Versatzstücken: dem Saloongirl mit dem Herz am rechten Fleck (Mila Kunis), ihrer zwielichtigen Mutter (Jennifer Beals), Duellen auf der Straße, und dem großen bösen Boss in der Gestalt von Carnegie, der von Gary Oldman auf eine Weise interpretiert wird, die stark an Daniel Day-Lewis´ Darstellung des John Huston in „There Will Be Blood“ erinnert.
Lob gebührt Mindy Marin, der Casting-Direktorin, die viele bekannte, wenn auch sehr eigentümliche Gesichter für den Film gewinnen konnte. Zu ihnen gehören etwa Tom Waits in der früher oft von Walter Brennan gespielten Rolle des alten Dorftaugenichts oder Michael Gambon (Dumbledore in den „Harry Potter“-Filmen), der eine Hälfe eines eleganten Pärchens mit verdächtig zittrigen Händen spielt. Gegen Ende huscht auch noch Malcolm McDowell in einer eigenartigen Perücke durchs Bild.
Denzel Washington? Der wandelt – traurig, aber wahr - wie in Trance durch den Film, auch wenn ab und zu seinen Worten so etwas wie sarkastischer Witz zu entnehmen ist. (Eine Wendung gegen Schluss soll Walkers Schicksal und Charakter erhellen, tut dies aber nicht.) „The Book Of Eli“ läuft letztendlich auf einen Zweikampf zwischen Walker und Carnegie um den Besitz des Buches hinaus, wobei letzterer nur an kurzzeitigem Machtgewinn interessiert ist, während ersterer das Buch für künftige Generationen bewahren möchte.
Aber was gilt es zu bewahren? Drehbuchautor Gary Whitta scheint es nicht zu wissen. Auf die Frage, was denn die Kernaussage des Buches sei, antwortet Walker: „Tue anderen, was du willst, dass sie dir tun“ – was den Nagel zwar auf den Kopf trifft, aber ungefähr so tiefschürfend ist, wie man es von einem Film erwarten darf, der das Fortdauern von Jesu Christi Botschaft der universellen Liebe mit knochenzerschmetternder Gewalt und amputierten Gliedmaßen kombiniert. Aber, bitte: jedem ein bisschen was.
Regie führen die Brüder Albert und Allen Hughes, die in den 1990-er Jahren mit ihren Gangsterfabeln „Menace II Society“ und „Dead Presidents“ einiges Aufsehen erregten, aber seitdem nicht mehr so recht überzeugen konnten. „The Book Of Eli“ ist ihr erster Film seit der düsteren und grüblerischen „Jack the Ripper“-Spektakel „From Hell“ (2001), doch leider haben sie einmal mehr keinen konsequent durchgehaltenen eigenen Stil gefunden. Stattdessen zitieren sie viele andere Filme und Genres, ohne jedoch auch nur annähernd etwas zu produzieren, das man einen gelungenen Film nennen könnte. „The Book Of Eli“ ist keineswegs unerträglich – schließlich sind die Hughes-Brüder geborene Filmemacher -, aber sie scheinen vom Material nicht restlos überzeugt gewesen zu sein, weshalb es ihnen auch nicht gelingt, den Zuschauer zu überzeugen. Fast ihre gesamte Kreativität fließt in die Action-Szenen, in denen es nur so kracht und spritzt. Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Botschaft des Buches wirklich „Lasset und Blut verspritzen“ lautet.
Eine Frage bleibt unbeantwortet: Warum vermag ausschließlich die Bibel die Menscheit zu retten? In anderen Büchern, sowohl religiösen als auch nichtreligiösen, finden sich ganz ähnliche Aussagen.
Fazit: Stellen Sie sich „The Road“ vor, neu verfilmt von christlichen Fundamentalisten, die sadistisches Vergnügen an Verstümmelungen im Allgemeinen, und Amputationen im Besonderen haben. „The Book Of Eli“ ist wirklich derart seltsam geraten.
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