Tony Curtis, dessen Filmkarriere in Hollywood 60 Jahre dauerte, verstarb im Alter von 85 Jahren. Ein Rückblick über seine Karriere mit einigen Videoclips
Er war jung, er war attraktiv und er war sehr ambitioniert. Als Vertragsschauspieler in Hollywood sah sich der junge Tony Curtis gezwungen, in vielen unterdurchschnittlichen (und bisweilen ganz und gar nicht passenden) Studioproduktionen mitzuwirken. In „The Black Shield of Falworth“ [„Der eiserne Ritter von Falworth“] (1954) spielte er einen kühnen Säbelrassler zu Zeiten Heinrich IV. „Yonder stands the castle of my faddah“, („Dort drüben steht die Burg meines Vaters“) musste er da an angeblich einer Stelle sagen. Nur das er dies niemals tat. Diese Zeile wurde von Kritikern ausgeheckt, die sich über des Schauspielers breiten Bronx-Akzent lustig machen wollten.
Wenige Filme fingen die korrupte Schattenseite von Manhattan in den 1950-er Jahren besser ein als „The Sweet Smell of Success“ [„Dein Schicksal in meiner Hand“] (1957) mit seinem feurigen Jazz-Soundtrack, den verrauchten Bars und zynischen Bewohnern. Curtis lieferte eine Glanzleistung ab als Sidney Falco, der glattrasierte Presseagent, der durch Intrigen, Schmeichelei und Bettelei Karriere in der New Yorker Zeitungsszene macht. „Match me, Sidney“, sagt der von Burt Lancaster gespielte Zigaretten rauchende Kolumnist und lädt damit stillschweigend Curtis zu einem Kampf um die schauspielerische Vorherrschaft ein.
In „The Defiant Ones“ [„Flucht in Ketten“] (1958) ist Joker (Curtis) ein prahlerischer weißer Rassist, Noah (Sidney Poitier) ein grüblerischer Afroamerikaner. Gemeinsam entkommen sie einer Sträflingskolonne und schlagen sich durch den Tiefen Süden, mit Ketten an den Beinen aneinandergefesselt. Stanley Kramers Parabel über das Verhältnis der Rassen zueinander mag heute einwenig plump und einschüchternd wirken, aber die grandiosen schauspielerischen Leistungen machen sie noch immer sehenswert. Curtis´ Rolle als Joker brachte ihm seine einzige Oscarnominierung als bester Schauspieler ein.
Richard Fleischers Langboot-Epos „The Vikings“ [„Die Winkinger“] (1958) war groß, aufdringlich und laut. Die New York Times tat es als „nordische Oper“ ab, aber das Publikum kam in Scharen und machte Curtis zu einem der profitabelsten Stars in Hollywood. Er spielte Erik, den Jungspund, der erwachsen wird und sich den Zorn des abgebrühten Halbbruders (Kirk Douglas) zuzieht.
Verschwenden Sie ruhig den einen oder anderen Gedanken an Joe (Curtis) und Jerry (Jack Lemmon), zwei Jazzmusiker, die vor der Mafia fliehen, sich als Damen verkleiden und sich als Josephine und Geraldine ausgeben. Allerdings tritt Joe auch noch als Junior auf (zumindest wenn er vorgibt, ein Shell-Öl-Millionär zu sein), während Jerry der Name Gealdine so sehr missfällt, dass er lieber Daphne genannt werden möchte. Mehr als fünf Jahrzehnte nach der Uraufführung ist Billy Wilders übermütige Komödie ein allseits geschätzter Klassiker; warmherzig, geistreich und ein wenig subversiv. Mit Marilyn Monroe als flatterhafter Sugar Kane, die immer das „falsche Ende des Lutschers“ erwischt.
In Stanley Kubricks muskelstrotzendem Römerepos „Spartacus“ spielt Kirk Douglas den aufständischen Gladiator, Laurence Olivier eine reichen General und Peter Ustinov, der für diese Rolle den Oscar gewann, einen schwatzhaften Händler. Curtis findet sich weiter unten auf der Besetzungsliste und wurde spät dazuengagiert, und zwar von Douglas selbst, um dem film noch etwas mehr „Starpower“ zu verleihen. Aber seine Darstellung des Antonius, eines sizilianischen Sklaven, der sich Spartacus´ Armee anschließt, ist ausgezeichnet. Seine entscheidende Szene – die kontroversielle „Muschel oder Schnecke“-Konversation mit Olivier im Badehaus – wurde erst 1991 wieder in den Film eingefügt.
In späteren Jahren sollte Curtis immer „The Boston Strangler“ [„Der Frauenmörder von Boston“] (1968) als seine größte Filmrolle bezeichnen. Um den berüchtigten Serienkiller Albert DeSalvo glaubwürdig darstellen zu können, färbte er sein Haar, verwendete schwarze Kontaktlinsen und nahm mehre Kilogramm zu. Aber was wirklich beeindruckt, ist seine qualvolle, ungerührte Intensität. Nicht einmal die antiquiert wirkenden visuellen Tricks des Films – Splitscreens, Bild im Bild – vermögen davon abzulenken.
Nach „The Boston Strangler“ begann Curtis´ Karriere zu verblassen und er begnügte sich damit, das Leben zu genießen und hie und da einen durchschnittlichen Film zu drehen. „Monte Carlo or Bust!“ [„Montecarlo Rally“] war eine harmlose Komödie rund um ein Autorennen, in der er an der Seite von solchen „Größen“ wie Dudley Moore, Willie Rushton und Hattie Jacques spielte. Curtis´ Stern war eindeutig im Sinken.
Um Norma Desmond falsch zu zitieren: Tony Curtis blieb ein großer Star, nur der Schirm wurde klein. 1971 gelangte er durch Lew Grades gelungene Detektivserie zu neuem Ruhm. In „The Persuaders“ [„Die 2“] spielten Curtis und der vor-Bond Roger Moore zwei Playboys und Verbrechensbekämpfer – der eine ein typischer New Yorker, der andere ein englischer Gentleman. Vier Jahrzehnte später ist die Titelsequenz (inklusive der Musik von John Barry) nach wie vor mitreißend.
Die Öffentlichkeit scheint es lieben, wenn die Filmstars sowohl auf als auch abseits der Leinwand Entertainer sind: mitteilsam, charmant und überlebensgroß. Auf Tony Curtis traf dies zu. Er war ein leichtlebiger Mensch und ein Anekdotenerzähler, er lachte schnell und er weinte schnell, er war auf einnehmende Art überwältigt von seinem Erfolg und schreckte nie davor zurück, sich über sich selbst lustig zu machen. Hier ist er noch einmal auf dem kleinen Bildschirm zu sehen, und zwar in „What´s my Line?“.
• Tony Curtis (Bernard Schwartz), Schauspieler, geboren am 3. Juni 1925; gestorben am 29. September 2010
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