Ein knallbunter und lauter Sieg des Stils über den Inhalt
Originaltitel: Scott Pilgrim vs. the World
Herstellungsland: USA/UK/Can 2010
Regie: Edgar Wright
Drehbuch: Michael Bacall, Edgar Wright, basierend auf den Comicbüchern von Bryan Lee O´Malley
Darsteller: Michael Cera, Mary Elizabeth Winstead, Kieran Culkin, Ellen Wong, Anna Kendrick, Alison Pill, Mark Webber, Johnny Simmons, Ben Lewis, Brie Larson, Aubrey Plaza, Nelson Franklin
Während der 30 Minuten oder so war ich mir sicher, dass „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ auf die Liste der besten Filme des Jahres gehört. Während der letzten 30 Minuten blickte ich gelangweilt auf die Uhr und sehnte den Abspann herbei. Edgar Wright („Shaun of the Dead“, „Hot Fuzz“) hat so ziemlich alles, was ihm in den Sinn kam, in seine Adaption der sechsbändigen Graphic Novel von Bryan Lee O´Malley hineinverpackt. Das Resultat ist zunächst erheiternd, mit zunehmender Spieldauer aber eher ermüdend.
Zum Teil ist dieses Problem auf die Prämisse zurückzuführen. Der in den Tag hinein lebende Titelheld (Michael Cera) ist ein 22 Jahre alter Bassist einer wenig talentierten Band aus Toronto, der mit einem Highschool-Mädchen namens Knives Chau (Ellen Wong) ausgeht, das sich nur bei Tageslicht außer Haus aufhalten darf. Scott und Knives haben einander noch nie geküsst - sie haben jedoch schon Händchen gehalten -, weshalb er kaum Gewissensbisse hat, als ihm seine (im wahrsten Sinne des Wortes) Traumfrau über den Weg läuft und sich bereit erklärt, mit ihm auszugehen.
Ihr Name ist Ramona (Mary Elizabeth Winstead). Sie hat einen trockenen Humor. Sie wechselt jede zweite Woche ihre Haarfarbe. Mit ihr auszugehen, hat einen riesigen Haken: Ihre sieben bösen Exfreunde sind versessen darauf, ihre romantische Zukunft zu kontrollieren, weshalb einer nach dem anderen auftaucht und Scott zu einem Kampf auf Leben und Tod herausfordert.
Scotts erste Auseinandersetzung – mit einem Jungen (Satya Bhabha), mit dem Ramona in der siebenten Klasse ein paar Mal aus war – ist die beste des Films, ein „Street Fighter“-artiger Kampf mit Dropkicks, Kung-Fu-Einlagen, dämonischen Harpyien und einer Bollywood-Nummer. Die zweite, diesmal gegen einen knallharten Filmstar (Chris Evans) und seine Armee von Stunt-Doubles, ist ebenfalls sehr unterhaltsam. Die dritte, in der es Scott mit einem überzeugten Veganer (ein überraschend lustiger Brandon Routh) zu tun bekommt, dessen Ernährungsgewohnheiten ihm gottgleiche Kräfte verliehen haben, endet mit einer genialen Pointe.
Aber spätestens mit dem Auftauchen des vierten bösen Exfreundes beginnt „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ ermüdend zu werden, denn die ständige Widerholung ist ein Feind, den selbst Scott nicht besiegen kann. Wright, der gemeinsam mit Michael Bacall das Drehbuch schrieb, packt den Film mit großartigen Nebenfiguren voll, um von der sich gebetsmühlenartig wiederholenden Struktur des Skripts abzulenken. Kieran Culkin sorgt als Scotts schwuler Mitbewohner für so manchen Lacher. Anna Kendrick spielt die nörgelnde Schwester geradezu beängstigend perfekt, während Alison Pill in der Rolle der Schlagzeugerin von Scotts Band, die noch immer nicht darüber hinweggekommen ist, dass er sie in der Highschool sitzenließ, an Molly Ringwald zu ihren besten Zeiten erinnert.
„Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ fängt die Erfahrung, ein Comicbuch zu lesen, besser ein als jeder andere Film, den ich bisher gesehen habe: Die Leinwand teilt sich oft in horizontale oder diagonale Paneele; Texte schweben in der Luft und bisweilen treten Animationen in den Vordergrund. Wie O´Malley in den Comics, nimmt auch Wright oft Anleihen bei Ästhetik und Sprache der Videospiele. Die Anspielungen beziehen sich auf die Ära von Atari 2600 und der ersten Nintendo-Konsole, weshalb sich auch alle, die nicht gerade Videospielenthusiasten sind, von dem Streifen angesprochen fühlen dürften (der Soundtrack wimmelt nur so von Piepsern und anderen Geräuschen von Spielkonsolen und Computern, die wohl jeder unterbewusst erkennt).
Die originellen kreativen Einfälle des Films lassen sich nicht leugnen, ebenso wenig wie der Humor, der bis zum Ende nicht nachlässt. Wright vermag selbst die banale Tätigkeit des Schuhbänderbindens in einen Gag verwandeln. Aber die Kombination aus rasantem Tempo und schwacher Prämisse führt früher oder später dazu, dass man sich irgendwie erdrückt fühlt. Michael Cera spielt das, was er immer spielt, nämlich den schlaksigen, leicht naiven Niemand, der diesmal jedoch kaum totzukriegen ist. Leider will es zwischen ihm und Mary Elizabeth Winstead so ganz und gar nicht funken. Man glaubt nie an die Beziehung von Scott und Ramona – er und die zu junge Knives geben ein viel amüsanteres Pärchen ab – und ohne emotionales Engagement ist „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ nicht mehr als ein interessantes Experiment, bei dem der Stiel über den Inhalt triumphiert. Der stil ist jedoch grandios.
Fazit: Ein unterhaltsamer Film, der unter einer schwachen Prämisse leidet. Vor allem Fans von Comics und Videospielen uneingeschränkt zu empfehlen.
0 comments
Kommentar veröffentlichen