Originaltitel: The Twilight Saga: New Moon
Herstellungsland: USA 2009
Regie: Chris Weitz
Darsteller: Kristen Stewart, Robert Pattinson, Taylor Lautner, Ashley Greene, Peter Facinelli, Elizabeth Reaser, Kellan Lutz, Nikki Reed
Gleich vorneweg möchte ich festhalten, dass ich den ersten Teil der „Twilight“-Saga gesehen und als Film recht annehmbar gefunden habe, auf jeden Fall um einiges erträglicher als dieses Machwerk. Dies nur, um zu zeigen, dass ich sehr wohl in der Lage bin, Filme die nicht ganz meinem Geschmack entsprechen, zu verstehen und zu würdigen. Deshalb hoffe ich, dass zumindest einige von Ihnen auf mich hören werden, wenn ich ihnen erzähle, dass „Twilight: New Moon“ ein nachlässig inszenierter, unerträglich melodramatischer und gehirnerweichender Haufen Mist ist, und darauf verzichten, ihr schwer verdientes Geld zum Fenster hinauszuwerfen.
Ich gebe auch gerne zu, dass ich mich wirklich bemüht habe, die Romane von Stephenie Meyers zu lesen, aber nie über die ersten 50 oder 60 Seiten hinausgekommen bin, weil sowohl ihr Stil als auch die Geschichte im besten Fall erträglich ist, über weite Strecken aber stark an den Kitsch erinnert, den man in Groschenromanen findet. Mir war das Gesülze bald zu dumm, weshalb ich die Bücher weitergeschenkt habe, aber ich kann mir gut vorstellen, dass pubertierende pickelgesichtige Mädchen darin etwas von ewig währender, romanischer Magie entdecken mögen. Um „Twilight“-Leser, die die Pubertät schon ein paar Jahre hinter sich gelassen haben, muss man sich allerdings Sorgen machen…
Der erste Film war leidlich unterhaltsam, nicht zuletzt deshalb, weil Regisseurin Catherine Hardwicke es verstanden hat, dem Zuschauer begreiflich zu machen, welch enorme Wirkung die erste große Liebe auf die psychische Verfassung eines Mädchens haben kann. Ihre Interpretation der Beziehung zwischen Bella und Edward ist erfüllt von einer überbordenden, bläulich schimmernden Pracht, die der Romanze einen hypnotischen und fast jenseitigen Touch verleiht. Deshalb ist es mehr als schade, dass Frau Hardwicke nicht auch den zweiten Teil der Saga inszenieren durfte. Und noch mehr zu bedauern ist, dass statt ihr der uninspirierte Handwerker Chris Weitz mit dieser Aufgabe betraut wurde. Da kann es kaum verwundern, dass „New Moon“ über weite Strecken blutleer und langatmig daherkommt und es dem Film an der Kunstfertigkeit mangelt, mit der Catherine Hardwicke den ersten Teil zu einem doch recht ansehnlichen Streifen gemacht hat. Dass auch von ihrem Einfühlungsvermögen in das Seelenleben junger Mädchen nichts übrig geblieben ist, schmerzt ebenfalls.
Im ersten Teil wurden die blasse Bella (Kristen Stewart) und der unter Beißhemmung leidende Vampir Edward (Robert Pattinson) zu dem Kinoliebespaar des Jahres. Doch schon zu Beginn von „Twilight: New Moon – Biss zur Mittagsstunde“ wird das junge Liebesglück getrübt, denn Bella feiert ihren 18.Geburtstag bei den Cullens, der vampirischen Verwandtschaft ihres Angebeteten. Beim Öffnen eines Geschenkes ritzt sie sich ihren Finger am Papier, das austretende Blut lässt einige der Anwesenden schier ausrasten vor Gier. Im letzten Moment kann Edward dazwischen gehen und seine Geliebte retten, aber ihm ist klar, dass er sie unmöglich rund um die Uhr beschützen kann. Beim überaus melodramatischen Waldspaziergang erklärt er ihr: „Unsere Liebe hat keine Zukunft, dies ist ein Abschied für immer.“ Daraufhin verschwindet er mitsamt seiner Familie nach Italien.
In den folgenden Monaten durchleidet Bella Höllenqualen, denn ohne ihren Edward erscheint ihr alles sinnlos. Am liebsten würde sie ihrem Leben ein Ende setzen. Doch da ist ja noch der nette Jacob (Taylor Lautner), der sich nicht ganz uneigennützig um Bella kümmert, wobei er immer wieder seinen athletischen Körper zu präsentieren versteht. Wie nicht anders zu erwarten, hat auch diese sich anbahnende Liebesgeschichte einen Haken, den Jacob ist ein Werwolf, und Werwölfe – hier das „Wolf Pack“ - sind seit Jahrhunderten unversöhnliche Feinde der Vampire. Als dann auch noch Bella durch die Vermittlung von Alice (Ashley Greene), der Schwester ihres Geliebten, wieder mit Edward zusammenfindet, scheint der Krieg zwischen Vampiren und Werwölfen unvermeidlich. Bella steht zwischen den Fronten. Wird sie dem Vampirclan treu bleiben, oder wird sie für ihre neue Liebe Jacob Partei ergreifen?
„Twilight: New Moon“ wurde wie schon der erste Film von Melissa Rosenberg für die Leinwand adaptiert, die auch die Fernsehserie „Dexter“ als Hauptschreiberin und Executive Producer betreut. Leider stützt sich ihr Drehbuch, wie auch schon das zum ersten Teil, viel zu sehr auf die melodramatischen Elemente von Stephenie Meyers´ Romanen, was wohl verständlich ist, wenn man bedenkt für welches Publikum die Werke in erster Linie gedacht sind. Wenigstens hat sie ein Händchen für die oft unbeholfenen Gespräche zwischen Jugendlichen und verzichtet auf die augenzwinkernden popkulturellen Anspielungen, wie man sie etwa von Diablo Cody („Jennifer´s Body“) gewohnt ist.
Leider, leider übertreibt es Frau Rosenberg mit den melodramatischen Anwandlungen allzu sehr. Offenbar traut sie den Zuschauern nicht zu, die sich entspinnenden Romanzen von sich aus zu verstehen, weshalb sie zu oft zum Holzhammer greift, anstatt es bei Andeutungen bewenden zu lassen. Noch viel schlimmer ist allerdings, dass sie allzu oft zum Hilfsmittel des Erzählers aus dem Off Zuflucht nimmt und Dinge erklärt, die gezeigt werden sollten. Schließlich ist das ein Film...
Die Hauptschuld an dem filmischen Desaster trägt aber ohne Zweifel Regisseur Chris Weitz, dessen Interpretation der Welt von „Twilight“ eindimensional und blutleer erscheint. Irgendwie wirkt „New Moon“ wie ein überlanger Pilotfilm zu einer Fernseh-Soap. Die Bildsprache ist einschläfernd; zwar ist der Film schön anzusehen, aber es ist eine Ästhetik ohne Tiefgang, ohne Gefühl – man hat mehr oder weniger ein filmisches Hochglanzmagazin vor sich. Das blasse Blau von „Twilight“ macht in „New Moon“ leuchtendem Gelb und Gold Platz, und diese in Hochglanz erstrahlende Farbpalette (besonderer „Dank“ gebührt hier Kameramann Javier Aguirresarobe) will so gar nicht zum Inhalt der Geschichte passen.
Eine weitere Schwäche des Films liegt darin, dass Spezialeffekte in den Szenen, in denen sich die jungen Männer in Werwölfe verwandeln, nicht gerade zu überzeugen vermögen, obwohl gerade diese Szenen den Zuschauer in Erstaunen versetzen sollten. Regisseur Chris Weitz gab zu verstehen, dass er und sein Effektteam (angeblich auf Zureden von Stephenie Meyers) entschieden hätten, die Metamorphose der Werwölfe spontan vonstatten gehen zu lassen, aber das wirkt irgendwie billig. Das Design der Werwölfe wirkt, in der kurzen Zeit, die sie zu sehen sind, seltsam uninspiriert, geradezu altbacken – aus „Underworld“ und ähnlichen Filmen ist man besseres gewohnt.
Die schauspielerischen Leistungen der drei Hauptdarsteller pendeln zwischen schwach und erbärmlich. Besonders Kristen Stewarts Darstellung ist erschreckend eindimensional. Sie scheint nur drei Gesichtsausdrücke in ihrem Repertoire zu haben: stumpf, verwirrt und ängstlich. Im ersten Teil hat das ausgereicht, zumindest eine Stunde lang. Catherine Hardwicke dürfte es, anders als ihr Kollege Chris Weitz, verstanden haben, die Stewarts irritierenden und zur Wiederholung neigenden Tendenzen in Stewarts Schauspielerei im Zaum zu halten. Tut mir Leid, aber der jungen Dame steht einfach kein ausreichendes schauspielerisches Arsenal zur Verfügung; ihre ärgerlichen Affektiertheiten (wenn mich meine Erinnerung nicht ganz im Stich lässt, gibt es einige Szenen, in denen es aussieht, als würde ihr Haar für sie spielen) erwecken den Eindruck, als fühle sie sich vor der Kamera nicht wohl. Robert Pattinson, der neue Mädchenschwarm, wirkt in so gut wie jeder Szene hölzern und hat nicht die geringste Ausstrahlung. Er hat nur einen einzigen Ausdruck zu spielen - grüblerisch und ernst -, und den hält er bis zum bitteren Ende durch. Lautner ist ebenso flach unterwegs; er verfügt nicht über das schauspielerische Rüstzeug, die Verwandlungen, die die Figur des Jacob durchmacht, auch nur annähernd glaubwürdig darzustellen. Statt der drei Hauptdarteller hätte man phasenweise genauso gut Pappfiguren vor der Kamera platzieren können. Am ehesten vermag noch Michael Sheen als Mitglied der vampirischen „Regierung“ zu überzeugen, doch leider ist ihm nur eine kleine Rolle beschieden.
Viel wurde darüber geredet, dass dieser Film der Anfang eines Liebedreiecks zwischen Bella, Edward und Jacob sein würde, aber leider hat dieses Dreieck lauter stumpfe Ecken. Hier wird nicht einmal ansatzweise die Tiefe und Dramatik des Beziehungsgeflechts zwischen Buffy, Angel und Spike erreicht. Mit besseren Schauspielern in den Hauptrollen hätte vielleicht mehr daraus werden können, aber so weckt das Ganze nur Erinnerungen an einige schlechte Episoden von „Beverly Hills 90210“. Und da die Dynamik zwischen den drei Figuren, die den Aufhänger für „New Moon“ darstellt, nicht funktioniert, fällt der ganze Film in sich zusammen.
Auch wurde darauf hingewiesen, dass in „New Moon“ der Horizont gegenüber dem Vorgänger um einiges weiter gesteckt ist, vor allem, weil etliche Figuren nach Italien reisen. Aber leider hat Regisseur Weitz wenig aus diesem Ortswechsel gemacht. Die Außenaufnahmen wirken so anonym, dass man sie überall hätte filmen können. Die meiste Zeit läuft Bella nur durch irgendwelche europäischen kopfsteingepflasterten Straßen. Solche Szenen muss man mit Leben erfüllen, sonst kann man sie gleich im Studio drehen – das hätte sicher ähnlich ausgesehen.
„New Moon“ ist alles andere als ein Meisterwerk. Allzu gewöhnlich wirkende, lieblos fotografierte Landschaften wechseln sich ab mit zu Recht „talking heads“ (sprechende Köpfe) genannten Großaufnahmen. Diese Art Ästhetik gehört in Seifenopern, nicht auf die große Kinoleinwand. Dazu kommen Dialoge auf Grundschulniveau und unterdurchschnittliche Werwolf-Animationen, die den negativen Eindruck noch verstärken. Pubertierende Mädchen beiderlei Geschlechts werden dennoch in Scharen in diesen vor Kitsch und Klischees nur so triefenden Film strömen und zwei Stunden lang vor Vergnügen weinen und kreischen.
Fazit: Langweilig, blutleer, eine Orgie an Kitsch und Klischees, kurz: ein Film, den man meiden sollte, wie der Vampir das Licht. 13-jährige Mädchen werden ihn trotzdem zu einem Riesenerfolg machen, weshalb noch zwei weitere „Twilight“-Filme auf uns zukommen werden.